Ob Bill Charlap, einer der gesuchtesten und fleissigsten Jazz-Pianisten der letzten Jahrzehnte, mit "Notes" (Musik-)Noten oder Notizen meint, ist mir nicht bekannt. Mein Titel bezieht sich auf das zweite.
Das Bill Charlap Trio mit Peter und Kenny Washington (Bass und Drums) – die übrigens weder verwandt noch verschwägert sind – besteht schon seit über 20 Jahren und hat auch schon eine Reihe exzellenter Scheiben produziert. Deshalb freute es mich besonders, dass nach einiger Zeit Bill Charlap wieder eine eigene Trio-Produktion in Angriff genommen hatte.
Und wie immer überzeugt der Pianist mit seinem fliessend perlenden Klavierstil, begeistert durch seine teils eigenwilligen, jedoch nie zu exotischen Interpretationen und Arrangements meist bekannter American-Songbook-Melodien und beweist sowohl harmonisch als auch rhythmisch seine bravouröse Musikalität. Sein Ideenreichtum in den Improvisationen scheint grenzenlos.
Mir fehlen auf "Notes from New York" jedoch wirkliche dynamische Höhepunkte. Die gesamte Produktion ist zwar schön und ein äusserst angenehmes Hörerlebnis, gleitet jedoch ohne grosse "Zwischenfälle" dahin, bietet keine eigentlichen Überraschungen.
Der Drummer Kenny Washington begleitet routiniert, exakt, stilsicher und geschmackvoll, und hat auch diverse ausgezeichnete Soloeinsätze.
Der Bassist Peter Washington enttäuschte mich auf dieser Produktion zum ersten Mal: Meist ist sein Spiel korrekt, doch mehr als einmal ist seine Intonation für meine Ohren unexakt, seine Basslinie harmonisch unklar oder zumindest nicht unterstützend. Und ab und zu stolperte ich (auch nach mehrmaligem Anhören derselben Passage) sogar über seine Rhythmik. Für mich ist der Bass in dieser Art Jazz noch wichtiger als das Schlagzeug, sozusagen der Fels in der Brandung, und muss einfach voll und ganz stimmen und das Trio zusammenhalten.
Von Bill Charlap, der "Notes from New York" auch mitproduzierte, und dessen erstes Album bei Impuls Records erscheint, hatte ich aus Erfahrung eigentlich mehr Sorgfalt erwartet.
Eine positive Überraschung gibt’s dann doch noch zum Schluss: Das schon x-tausendmal interpretierte "On the Sunny Side of the Street" wird von Bill Charlap solo vorgetragen und ist aussergewöhnlich, da es (entgegen der positiven Original-Lyrics) zu einem harmonischen Leckerbissen der eher besinnlichen Art umgekrempelt wurde.
Zur Aufnahmequalität: Der Flügel klingt gut, wenn auch nicht überragend, ebenso das Schlagzeug. Der Bass jedoch ist auch aufnahmetechnisch nicht optimal eingefangen, schwimmt an vielen Stellen etwas im Hintergrund. Von einer Trioaufnahme ohne grosse dynamische Sprünge hätte ich etwas mehr Transparenz erwartet.
Alles in allem (und obgleich Bill Charlap selbst hervorragend spielt) finde ich "Notes from New York" zu unsorgfältig hingekritzelt, zu schnell produziert. War man unter Zeitdruck? Musste man unbedingt noch schnell ein Album fertigstellen, einen Vertrag erfüllen?
Es kann gut sein, dass Sie beim Anhören der Kurzbeispiele oder beim Lesen der meist äusserst positiven Kritiken in anderen (teilweise renommierten) Publikationen zu einem gegenteiligen Schluss kommen. Ich bin mir klar, dass Rezensionen persönlich sind, und Musikgenuss auch mit Erwartungen zu tun hat. Meine waren wahrscheinlich zu gross.