Im Gegensatz zu Horace Silvers «Song For My Father», einer Komposition (und Silvers erfolgreichstes Album) zu Ehren seines Vaters, widmet Gerry Gibbs seinem Vater, dem legendären Vibraphonisten und Bandleader Terry Gibbs, der am 13. Oktober seinen 97. Geburtstag feiern kann, ein Doppelalbum. Auf diesem interpretiert er zusammen mit illustren Pianisten und Bassisten 18 Kompositionen seines Vaters neu.
Chick Corea, treibende Kraft in einem der vier Trios, hat die 19. Komposition zu Ehren Terrys beigesteuert. Leider wurden es auch die letzten Aufnahmen des am 9. Februar dieses Jahres verstorbenen Musikers und Komponisten.
Der Sohn: Gerry Gibbs
Gerry wurde 1964 in New York geboren, wuchs jedoch in Kalifornien auf. Er begann mit vier Jahren – unterstützt von seinem berühmten Vater – Schlagzeug zu spielen und mit sieben präsentierte er ein dreiminütiges Schlagzeugsolo in der «Steve Allen Show».
Mit 18 war er bereits Berufsmusiker, spielte regelmässig in Gruppen seines Vaters, aber auch mit vielen Jazz-, Funk- und Rockgrössen, u. a. mit Donald Byrd, Frank Rosolino, Alice Coltrane, Parliament Funkadelic und Rose Royce.
1987 zog es ihn nach NYC, wo er innert kurzer Zeit regelmässige Jobs erhielt und einige aussergewöhnliche Projekte realisierte. Er begann zudem zu komponieren und arrangieren, leitete seine eigene 18-köpfige Band, die Gerry Gibbs & The Thrasher Big Band.
Unter dem Namen Gerry Gibbs Thrasher Dream Trio veröffentlichte er diverse Trioaufnahmen mit verschiedenen Top-Pianisten und -Bassisten. Diese Musiker konnte er nun auch für das Album «Songs from My Father» begeistern. Dank neuster Technologie, eigenem Studio und viel technischem Wissen gelang es Gerry Gibbs, trotz Covid-Restriktionen, dieses schon länger geplante Projekt zu verwirklichen.
Der Vater: Terry Gibbs
Geboren in Brooklyn, New York, als Julius Grubenko, änderte Terry früh seinen Namen, um ins Musikbusiness einsteigen zu können. Mit zwölf (1936) gewann er einen Amateur-Musikwettbewerb. Bald danach begann er seine professionelle Musikerlaufbahn, zunächst als Schlagzeuger und Perkussionist (Vibraphonisten waren damals kaum gefragt).
Nach dem Krieg tourte er mit Buddy Rich und Woody Herman. Zu Beginn der 50er-Jahre war er Vibraphonist im Benny Goodman Sextett und gewann mehrmals sowohl im «DownBeat» als auch im «Metronome» den Titel «#1 Vibraphonist in the World». Er war einer der ersten, die sich für die Gleichberechtigung der Geschlechter einsetzte, indem er Pianistinnen in seine Bands integrierte.
1957 zog er nach Los Angeles, wo er 1959 seine eigene Big Band – «The Dream Band» – mit Topmusikern wie Mel Lewis, Frank Rosolino, Conte Candoli und Richie Kamuca zusammenstellte, die schon damals (1962) von den «Down Beat»-Kritikern zur besten Big Band der Welt erkoren wurde. Noch heute gehören die diversen Aufnahmen der «Dream Band» zu den empfehlenswerten Alben.
Terry Gibbs hat auf über 65 Alben mitgewirkt. Seine mehr als 300 Kompositionen wurden von den unterschiedlichsten Musikern – von Nat King Cole bis Cannonball Adderley – interpretiert.
«Songs from My Father»
Einzelheiten zu diesem Album sind schwierig zusammenzustellen, da kein Booklet zur Verfügung steht und auch online (momentan) nur spärliche und teilweise gar widersprüchliche Informationen zu finden sind.
Das Trio mit Kenny Barron und Buster Williams ist mit vier Stücken beteiligt, Patrice Rushen und Larry Goldings mit fünf, Chick Corea und Ron Carter mit vier, Geoffrey Keezer und Christian McBride mit fünf. Und auf «Hey Chick» (Originaltitel «Hey Jim»), das zu Ehren und zum Gedenken des im Februar verstorbenen Chick Corea umbenannt wurde, wirken alle übrigen Musiker mit. Und sogar das Vibraphon-Solo von Terry Gibbs aus der Originalaufnahme von 1961 wurde in die aktuelle Version eingebaut.
Die Musikqualität ist durchs Band weg hervorragend, wie man es von Musikern dieses Kalibers erwartet. Ab und zu hat man den Eindruck eines musikalischen «Augenzwinkerns», glaubt einen humorvollen Einschub zu hören. Zudem gibt die Tatsache, dass dies die letzten Aufnahmen Chick Coreas sind, dem Album einen besonderen Wert.
Gerrys Drumming ist enorm kompakt und speziell. Er macht viel mehr als «begleiten», er gibt jedem Stück zusätzlichen Schub, ohne in der Abmischung zu dominieren.
Rein klanglich sind die diversen Trios ähnlich, jedoch nicht identisch. Ab und zu ist für mich der Klangsprung zwischen den einzelnen Tracks, vor allem beim Flügel, recht dramatisch. Doch dies tut dem Gesamteindruck dieses Doppelalbums keinen Abbruch.
Fazit
Obgleich erst eben entstanden, ist dieses Album bereits ein «Collector’s Item». Nicht nur wegen der letzten Aufnahmen von Chick Corea, sondern auch wegen der Ansammlung illustrer Pianisten und Bassisten auf einem Album, die diesmal nicht die bekannten Songs aus dem «American Songbook» interpretieren, sondern weniger bekannte Kompositionen von Terry Gibbs.