Dass eine Plattenhülle wie diese nicht nur beim Publikum Diskussionen auslöste, sondern gar den «Playboy»-Chef Hugh Hefner persönlich auf den Plan rief, da auch der Schriftzug unweigerlich an Hefners Heft erinnerte, ist irgendwie verständlich. Deshalb wurde die LP «Playboys» drei Jahre später unter dem Namen «Picture of Heath» mit neuem Cover (siehe unten) veröffentlicht. Damit wurde auch Jimmy Heath Achtung gezollt, der immerhin fünf der sieben Nummern komponiert hatte. Die übrigen zwei, «Minor-Yours» und »Tynan Tyme», stammen aus der Feder von Art Pepper.
Spätere Wiederveröffentlichungen verwendeten verschiedene Bilder, jedoch immer entweder Pin-ups oder Schnappschüsse der Musiker.
Beim Eintauchen in die Lebensläufe der sechs Musiker, die auf dieser Aufnahme zu hören sind, fiel mir eine extreme Häufung tragischer Schicksale auf:
Chet Baker
(23. Dezember 1929 – 13. Mai 1988)
Chet lebte die ersten zehn Jahre in Yale, Oklahoma. Sein Vater war Gitarrist, seine Mutter Pianistin, die jedoch in einer Fabrik arbeitete. Wegen der «Great Depression» musste der Vater seinen Musiker-Job aufgeben, um ein geregeltes Einkommen zu haben. 1940 zog die Familie Baker nach Glendale in Kalifornien um.
Chet sang schon früh in einem Kirchenchor und konnte Melodien, die er einmal am Radio gehört hatte, nachsingen. Kollegen berichteten, dass er Musik in sich trug und dass er sich in kürzester Zeit das Trompetenspiel beibrachte. Seine musikalische «Grundausbildung» erhielt er an der Glendale High School.
Mit 16(!) trat er in die US Army ein und wurde Mitglied einer in Berlin stationierten Army Band. Später, zurück in den USA, spielte er in der 6th Army Band in San Francisco.
Baker spielte mit Stan Getz, dann mit Charlie Parker, bevor er 1952 Teil der Gerry Mulligan Quartetts wurde, einer innovativen Gruppe ohne Klavier, die viel zum sogenannten West Coast Sound beitrug.
Daneben spielte Chet wo immer er konnte, gründete sein eigenes Quartett, nachdem Mulligan wegen Drogenbesitz ins Gefängnis musste. Bakers Erfolge als Trompeter stiegen rasant an, und mehrfach wurde er sowohl vom «Metronome» als auch vom «Down Beat»-Magazin zum besten Jazztrompeter gekürt, vor Miles Davies und Clifford Brown.
Als Pacific Jazz Records 1954 die LP «Chet Baker Sings» veröffentlichte, erhöhte dies zwar Bakers Bekanntheitsgrad, trug ihm jedoch auch Kritik der Jazzgemeinde ein. Doch Baker sang während seiner gesamten Karriere … und seine diversen Gesangs-LPs gehören nach wie vor zu den am meisten gespielten: schnörkellos, fantasievoll, meist perfekt intoniert, jedoch halt eben Geschmacksache.
Trotz eines Angebots aus Hollywood blieb er der Musik treu, absolvierte 1955/56 eine längere Europa-Tournee, nahm in Herbst 1956 drei Alben in Los Angeles auf (u.a. das vorliegende) und flog dann zurück nach Italien (Milano Sessions), wo er nach wenigen Tagen wegen Drogenbesitz verhaftet wurde.
Drogen wurden Bakers Problem Nr.1: Ab 1957 war er regelmässig auf Heroin «angewiesen», wurde sowohl in Italien als auch in Deutschland und England wegen Drogen inhaftiert und von Deutschland in die USA «überwiesen».
1966 wurde Baker in Sausalito Opfer einer Schlägerei, verlor mehrere Zähne und war unfähig, Trompete zu spielen. Erst nach drei Jahren erhielt er Implantate und schaffte ein Comeback. Vor allem in den 70er-Jahren entstanden mehrere erwähnenswerte Aufnahmen, u.a. mit Paul Desmond und Jim Hall.
Von 1978 bis zu seinem Tod 1988 lebte und spielte er mit wenigen Ausnahmen in Europa, vor allem in England, unterstützt von seinem Bewunderer und Freund Elvis Costello. Baker spielte noch diverse Konzerte, u.a. in Tokyo, kam jedoch nie von den Drogen los. Ein Sturz aus dem Fenster seines Zimmers im Hotel Prins Hendrik in Amsterdam – wegen Heroin und Kokain in seinem Blut als Unfall taxiert – führte zu seinem Tod. Chet Baker wurde 58.
Art Pepper
(1. September 1925 – 15. Juni 1982)
Art wuchs vorwiegend bei seiner Grossmutter auf, da seine Eltern extreme Alkoholiker waren. Sie unterstützte grosszügig sein Interesse an Musik: Mit neun begann er Klarinette zu spielen, wechselte mit 13 zu Altsaxofon und begann mit den schwarzen Musikern der Central Avenue in L.A. zu jammen.
Mit 17 begann er seine berufliche Musikerlaufbahn mit Benny Carter, dann mit der Stan Kenton Big Band. In dieser Band, in der er (mit militärischen Unterbrüchen) bis 1952 blieb, lernte er alles, was ihn zu einem der angesehensten Altsaxofonisten der 50er- und 60er-Jahre machte. Die 50er-Alben unter seinem Namen sind durchs Band weg empfehlenswert.
Auch bei Art Pepper spielt Heroin ein wesentliche Rolle: Insgesamt sass Pepper wegen Drogendelikten elf Jahre hinter Gitter. Doch erstaunlicherweise litt die Qualität seiner Musik nie (hörbar) unter seinem Drogenkonsum. Zwar wurde sein Stil nach den drei Jahren in St. Quentin etwas härter, doch nie «schlechter».
Aber erst 1975 gelang ihm – mit Hilfe seiner dritten Frau Laurie und einem Methadonprogramm – der definitive Ausstieg aus den Drogen. Seine 1980 verfasste Autobiografie «Straight Life» gibt uns einen seltenen Einblick auf die Westküsten-Jazzszene und die Drogenkriminalität Mitte des letzten Jahrhunderts.
Art Pepper erlag 1982 einem Hirnschlag. Er wurde 56 Jahre alt.
Über Phil Urso (2. Oktober 1925 – 7. April 2008), den Tenorsaxofonisten auf diesem Album, gibt es (zum Glück) wenig zu berichten. Neben seiner Zusammenarbeit mit Chet Baker spielte er in diversen bekannten Big Bands, zog sich dann bald nach Denver (CO) zurück, wo er nur noch lokal musikalisch tätig war.
«Playboys»
Anmerkung: Wie schon eingangs erwähnt, kreierte das Label Music Manager für ihre HiRes-Version ein neues Cover, das wahrscheinlich an das Original erinnern soll. Die zusätzlichen Titel in der «Bonus»-Version (siehe unten) wurden anscheinend nur grob gemischt, klingen anders als die definitiv gewählten Stücke. Ein Vergleich ist interessant, jedoch nicht zwingend.
Die sieben Titel sind einerseits abwechslungsreich in der damaligen West-Coast-Art arrangiert, geben anderseits jedem Musiker genügend Freiraum für ausführliche und sowohl musikalisch als auch technisch beeindruckende Soli. Die Aufnahme (da von 1956 stammend natürlich mono, und nicht, wie von Qobuz angepriesen, stereo) ist trocken, sauber und überraschend klar und wurde im Remastering nicht über Gebühr manipuliert.
Nicht nur ist dieses Album ein Teil Jazzgeschichte, sondern – wenn man sich etwas in die Hintergründe einliest – auch ein Zeitdokument über die Drogen- und die Rassismus-Situation in den USA, bei der sich in den letzten 70 Jahren, ausser vielleicht der Art der verwendeten Drogen, leider nicht allzu viel verändert hat.
Eigentlich soll diese Rezension Appetit auf mehr Chet Baker und mehr Art Pepper machen, denn es gibt noch Stunden fantastischer Musik dieser zwei Ausnahmemusiker zu entdecken.
Die Original-LP von Pacific Jazz enthielt die hier erwähnten sieben Titel und ist im Steckbrief unten aufgeführt.
Eine weitere HiRes-Audio-Version (24/44.1, mit dem «Original Cover») enthält zusätzlich zwei «alternative Takes» (andere Versionen desselben Stücks) sowie drei zusätzliche Kompositionen und ist ebenfalls bei Qobuz zu finden.