MUSIKREZENSION
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Publikationsdatum
16. Januar 2023
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Einmal mehr müssen hier – zumindest vorerst – Zusatzlorbeeren verteilt werden: Auch wenn der Hauptakteur Ben Webster heisst, ist es Oscar Peterson und sein Trio, das musikalisch das Beste aus dem Tenorsaxofonisten «herausholt». Die zweiten Zusatzlorbeeren verdient (nicht zum ersten Mal) Norman Granz, der diese Session überhaupt ermöglicht hatte.

Und es scheint immer klarer: Norman Granz organisiert den Gast oder die Gäste, Oscar Peterson und seine Mannen begleiten. Das Resultat ist jedes Mal aussergewöhnlich gut, sowohl musikalisch als auch klanglich.

Ben Webster

Benjamin Frances Webster stammte aus Kansas City, Missouri, wo er am 27. März 1909 zur Welt kam. Seinen gewalttätigen, alkoholabhängigen Vater hatte er nicht gekannt, er wuchs als Einzelkind bei seiner Mutter und seiner Grossmutter wohlbehütet und, wie es heisst, verwöhnt auf. Schon früh wurde seine Musikalität bemerkt und gefördert. Und obschon bald erfolgreich, hasste Ben die Violine und die damit verbundenen Etüden des klassischen Unterrichts. Er improvisierte lieber auf dem Klavier seiner Mutter.

Mit 18 schlug er sich als Pianist durch, spielte in diversen Gruppen und begleitete Stummfilme in verschiedenen Kinos in Amarillo. Nachdem der Saxofonist Budd Johnson Websters Interesse an diesem Instrument geweckt hatte, besorgte sich Ben ein Altsaxofon und übte wie wild. Er lernte Lester Young kennen und wurde Mitglied der Young Family Band. Lesters Vater unterrichtete ihn am Sax und brachte ihm «ab Blatt spielen» bei. Dies führte dazu, dass Ben bald in diversen Bands spielte, u. a. mit Benny Carter, Cab Calloway, Fletcher Henderson und Teddy Wilson.

1940 wurde er Mitglied und Solist bei der Duke Ellington Band, doch nach drei Jahren musste er wegen «charakterlichen Problemen» die Band verlassen. Es scheint, dass Alkohol schon damals eine Rolle zu spielen begann.*

Nach Jobs in verschiedenen Orchestern nahm ihn Norman Granz unter seine Fittiche: Wenn er zusammen mit Harry «Sweets» Edison und Oscar Peterson spielen konnte, schien sich Ben Webster wohlzufühlen. Er wurde Teil der «Jazz at the Philharmonic»-Familie, machte Aufnahmen mit Art Tatum und Ende 1957 mit Coleman Hawkins, unterstützt vom damaligen Oscar Peterson Trio plus Alvin Stoller am Schlagzeug.

Ben Webster, neben Coleman Hawkins und Lester Young der bedeutendste Tenorsaxofonist der Swing-Ära.Ben Webster, neben Coleman Hawkins und Lester Young der bedeutendste Tenorsaxofonist der Swing-Ära.

Ende der 50er-Jahre trat er oft zusammen mit Gerry Mulligan in Los Angeles auf und nahm 1959 das Album «Gerry Mulligan meets Ben Webster» für Verve auf. 1964 zog er nach Europa: Amsterdam, Kopenhagen, Paris und London waren seine bevorzugten Bleiben. 1969 liess er sich definitiv in Kopenhagen nieder, spielte in Clubs und schloss sich für kurze Europatourneen ehemaligen Freunden aus den USA an, wie etwa Buck Clayton und Teddy Wilson.

Nach einem Auftritt in Leiden (NL) erlitt er 1973 einen Schlaganfall und starb kurz darauf am 20. September in Amsterdam. Von 1938 bis zu seinem Tod spielte er auf demselben Tenorsaxofon. Er verfügte in seinem Testament, dass es danach nie mehr erklingen sollte. Es ist heute in New Jersey ausgestellt.

*Als junger Student wollte ich Ben Webster im Ronnie Scott’s in London interviewen. Nachmittags sah ich ihn allein an einem Tischchen sitzen, sein Blick auf ein Glas gerichtet. Als ich mich ihm nähern wollte, hielt mich jemand zurück, sagte mir, dass es nicht der richtige Moment sei für ein Gespräch – Ben sei ziemlich alkoholisiert und deshalb unberechenbar. Doch das Konzert am selben Abend war hinreissend, auch wenn er nur in zwei Sets mitspielte.

«Ben Webster meets Oscar Peterson»

Wie schon eingangs erwähnt: Oscar Peterson scheint mit seiner Art und seiner Musik die unterschiedlichsten Musiker positiv beeinflusst zu haben. Diese Session, in der auch Ray Brown mit zusätzlichen Soli brilliert, ist sowas von entspannt, swingend, aber auch balladesk, romantisch. Es umfasst eben das gesamte Spektrum von Ben Websters Können. Peterson hält sich zurück, begleitet und unterstützt, bietet wunderschöne Soli, ohne technisch zu überborden, wohl auch, um sich nicht zu stark in den Vordergrund zu rücken; schliesslich soll ja Ben Webster der Star sein.

Unbedingt erwähnenswert ist in gleichem Masse die dezente Schlagzeugbegleitung von Ed Thigpen, nie dominant, jedoch immer im richtigen Moment Akzente setzend.

Und was immer wieder überrascht: Verve-Aufnahmen aus jener Zeit sind meistens aussergewöhnlich gut. Zudem unterscheiden sich die restaurierten Hi-Res-Versionen nur durch etwas grössere Transparenz. Der Gesamteindruck wurde nicht durch technische Manipulationen verändert. Gut!

Fazit

Hier wird kein artistisches Neuland betreten, werden keine musikalischen Experimente zelebriert. Es wird einfach swingender Jazz vom Feinsten gespielt, ohne grosse Arrangements, eher – wie oft bei Norman-Granz-Produktionen – Jam Session artig zusammen musiziert, aufeinander gehört, einander ergänzt.

Das einzige Manko ist, dass die ganze Pracht nur gerade mal knappe 37 Minuten dauert, und man danach wieder von vorne beginnen muss.

STECKBRIEF
Interpret:
Ben Webster
Besetzung:
Ben Webster, ts
Oscar Peterson, p
Ray Brown, b
Ed Thigpen, dm
Albumtitel:
«Ben Webster meets Oscar Peterson»
Herkunft:
USA
Label:
Verve Reissues
Erscheinungsdatum:
1959/2014
Spieldauer:
36:51
Tonformat:
FLAC 24-Bit 192.0 kHz – Stereo
Medium:
Download/Streaming
Musikwertung:
10
Klangwertung:
9
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