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Auf der neuen Modellgeneration von TP Visiosn / Philips wird Android L eingesetzt. Dessen Kacheloberfläche wurde von Google speziell für Fernseher angepasst.Auf der neuen Modellgeneration von TP Visiosn / Philips wird Android L eingesetzt. Dessen Kacheloberfläche wurde von Google speziell für Fernseher angepasst.

Ein Fernsehgerät ist viel High-Tech, in deren Mittelpunkt allerdings die Software steht. Je smarter und multifunktionaler die Fernseher werden, desto wichtiger wird diese Software. Dass Philips dabei auf das „Handy-Betriebssystem“ Android setzt, ist Chance und Risiko zugleich.

Apps statt Funktionen

Neben den Grundfunktionen wie Live-TV und Aufnahme müssen Fernsehgeräte heute Zusatzfunktionen wie Mietvideos (VOD), YouTube, Facebook, Twitter und Spielchen beherrschen. Dies geschieht meist mit modularen Funktionen, sogenannten Apps. Weil bisher jeder TV-Hersteller eine eigene Softwareplattform pflegt, mussten die App-Hersteller aber ihre Software für jede Marke neu anpassen. Dabei fokussieren sie sich meist auf Marktgiganten wie Samsung, kleiner Marken blieben oft auf der Strecke.

Für Smartphones und Tablets gibt es statt dessen hunderttausende Apps, bei Android lassen sich diese sogar unabhängige von der Handy-Marke einsetzen. „Einmal programmieren, millionenfach verkaufen“ lautet deshalb die Verlockung für die Entwickler.

Weil ein Tablet in der Nutzung eigentlich oft ein geschrumpfter Fernseher ist, kam schon vor Jahren die Idee auf, auch TV-Geräte mit Android zu betreiben.

TV ist kein Riesentablet

Erste Android-Fernseher von Sony scheiterten vor Jahren aber fulminant. Denn ein Fernseher ist mehr als nur ein Riesen-Tablet. Insbesondere lässt er sich nicht mit der Fingerspitze auf dem Display bedienen. Ferner gibt es mit Bild- und Tonoptimierungen oder kniffligen Aufgaben wie Entschlüsselung von codierten Fernsehsignalen viele aufwendige und zeitkritische TV-Funktionen.

TP Vision, welche heute die Fernseher unter der Marke Philips herstellt, hat dennoch letztes Jahr den Sprung ins Android-TV-Zeitalter gewagt und erste Geräte mit Android 4.4 (KitKat) ausgeliefert. Dabei zahlten aber auch die Fernsehbauer mit holländischen Wurzeln Lehrgeld, die ersten Modelle waren erst nach mehreren Softwareupdates alltagstauglich.

Von Google für Fernseher

Dank Android-Betriebssystem lassen sich auf Philips-Fernsehern tausende Apps nutzen. Allerdings können nicht alle Apps aus dem Google-Store installiert werden.Dank Android-Betriebssystem lassen sich auf Philips-Fernsehern tausende Apps nutzen. Allerdings können nicht alle Apps aus dem Google-Store installiert werden.

Mit der neusten Android-Version 5 (L oder Lollipop) hat Google nun die Bedürfnisse von Fernsehern von Grund auf in das Betriebssystem integriert. Bei der neuen Modellreihe setzt deshalb TP Vision auf diese neuste Entwicklung. Letztjährige Geräte lassen sich leider nicht auf Android L aktualisieren, werden aber weiterhin auf der 4er-Plattform aktualisiert.

Schaltet man die neuen Philips-Androiden ein, leuchtet eine komplett neue, kachelorientierte und farbenfrohe Oberfläche. Grundsätzlich lässt sich alles mit vier Richtungstasten auswählen, auf der neuesten Fernbedienung darf man mit dem Daumen sogar kleine Wischgesten in vier Richtungen ausführen. Die Bedienung ist flink, die Reaktion des TV praktisch unverzögert.

Trendgemäss lassen sich die neuen Fernseher auch mit Sprachbefehlen steuern. Dazu gibt es in der Fernbedienung ein Mikrofon und die zugehörige Taste. So wird verhindert, dass der Fernseher permanent die Stube belauscht.

Apps lassen sich aus einer Philips-Empfehlungsliste oder aus dem App-Store von Google installieren. Auf dem Gerät stehen dafür mehrere Gigabyte Speicher zur Verfügung. Wer eine Festplatte an den TV anschliesst, erhält bis zu 128 Gigabyte Platz für hunderte Apps.

Mehrere 1000 Apps

Allerdings kann man nicht einfach alle der über 300‘000 Apps aus dem Google-Store auf dem Fernseher starten. Die Entwickler müssen ihre Apps explizit für die TV-Nutzung freigeben. Denn Fingergesten, beispielsweise fürs Zoomen, stehen am TV weiterhin nicht zur Verfügung.

Bei einer ersten Gerätepräsentation konnte Philips bereits über 1000 Apps für die neuen Fernseher auflisten. Wenn die Geräte im Sommer in den Läden stehen, werden es wohl bereits mehrere Tausend sein. Ein Teil davon, wie beispielsweise der Video-on-demand-Dienst von Netflix, wird dann auch explizit die UHD/4K-Auflösung der TV-Geräte unterstützen. Auch „Killer-Apps“, wie der Live-TV-Dienst von Zattoo, werden hoffentlich in den nächsten Monaten für die neuen Philips-Fernseher freigeschaltet.

Interessant ist, dass Netflix als Aufnahme auf der Fernbedienung von Philips eine eigene Taste erhalten hat. Leider konnte an der Demo damit aber noch keine 4K-Auflösung gezeigt werden, bis zum Marktstart soll dies aber der Fall sein.

An der durchgängigen Unterstützung von 4K/UHD wird noch fleissig gewerkelt. Die Oberfläche bietet maximal Full-HD, also 1920 x 1080 Bildpunkte. Sollen Apps aus dem Internet 4K-Inhalte als Bilder oder Videos anzeigen, müssen sie angepasst werden. Das fehlte bei der Präsentation der Prototypen aber sogar noch bei Must-Have-Apps wie YouTube. TP Vision verspricht aber, dass bei Geräteauslieferung mehrere Apps die 4K-Darstellung mit 3840 × 2160 Bildpunkten unterstützen werden.

Im Gegensatz zu Mobilgeräten kann man seine Bedienoberfläche auf dem Fernseher nicht frei konfigurieren. Die zuletzt geöffneten Apps sind aber mit wenigen Tastendrücken zugänglich. Ansonsten bestimmen Philips und Google, welche Apps an prominenten Positionen erscheinen. Einzelne Funktionen, wie Geräteeinstellungen, lassen sich wenigstens über eine einblendbare Seitenleiste jederzeit direkt anzeigen.

Offline und Online

Dank Unterstützung des Spiele-Streaming-Dienstes von Online lassen sich auch anspruchsvolle Baller- und Renngames zocken. Die Rechenleistung kommt dann von Servern im Internet.Dank Unterstützung des Spiele-Streaming-Dienstes von Online lassen sich auch anspruchsvolle Baller- und Renngames zocken. Die Rechenleistung kommt dann von Servern im Internet.

Die neuen Philips-Fernseher funktionieren natürlich auch ohne Internetverbindung. Dann muss man allerdings auf automatisch nachgeladene, kontextsensitive Hintergrundbilder in der Menüsteuerung verzichten. Wie bei jedem Smart-TV fehlen dann auch „intelligente“ Funktionen, wie elektronische Programmzeitschrift und nutzungsbasierte Empfehlungen für weitere Sendungen oder Filme.

Grundsätzlich bringt aber Android auf dem Fernseher eine bessere Verschmelzung mit Daten aus der Cloud. Wer seine Bilder bei Picasa, Dropbox oder Apple speichert, kann über die passenden Apps einfach darauf zugreifen. Neben vielen kostenlosen Videoschnipseldiensten und Filmverleihern lassen sich natürlich auch Musikdienste wie Spotify problemlos nutzen.

Chromecast statt Airplay

Ein besonderer Vorteil der neuen Philips-Androiden ist die Unterstützung von Chromecast. Sie verheiratet Mobilgeräte unter Apples iOS und Android sowie PC nahtlos mit dem Fernseher. Wenn man beispielsweise ein YouTube-Video auf dem Smartphone abspielt, genügt ein Fingertippen, damit dieses auf dem Fernseher wiedergegeben wird. Dabei ist der Fernseher klug genug, sich die Daten selber aus dem Internet zu holen. Man darf das Handy also während der Wiedergabe einfach ausschalten. Das Ganze funktioniert auch mit Musik oder Fotos.

Apple bietet eine ähnliche Technik schon seit mehreren Jahren unter der Bezeichnung Airplay. Diese ist allerdings weder in TV-Geräte direkt integriert noch für Android-Besitzer nutzbar. Chromecast hat diese Geräteverschmelzung nicht nur weiter entwickelt, sondern lässt sich problemlos auch auf einem iPhone nutzen. Chromecast muss aber explizit in eine App integriert werden, inzwischen gibt es davon über 600. Von YouTube über Zattoo bis zum Filmverwalter Plex setzten alle grossen App-Anbieter die Technik ein.

Chromecast unterstützt allerdings maximal Full-HD-Auflösung. Auf Philips UHD-Modellen werden aber Inhalte durch die Bildverbesserungstechnik ansehnlich hochskaliert.

Die Chromecast-Funktion lässt sich übrigens auf jedem Fernseher mit HDMI-Anschluss durch einen Chromecast-Stick nachrüsten. Die Integration in den täglichen TV-Konsum ist dann allerdings nicht mehr so nahtlos wie bei Philips.

TV ersetzt Spielkonsole

Als Zubehör liefert TP Vision spezielle Spielekontroller. Der Fernseher ersetzt so die Spielkonsolen von Sony oder Microsoft.Als Zubehör liefert TP Vision spezielle Spielekontroller. Der Fernseher ersetzt so die Spielkonsolen von Sony oder Microsoft.

Einen grossen Stellenwert räumt Philips bei den neuen Modellen auch der Spielfreude ein. Die TV-Geräte lassen sich auch mit einer Spielesteuerung (Gamepad) erweitern. Dank Android lassen sich Spiele-Apps einfach nutzen. TP Vision wird einige davon dank einer Kooperation mit EA und Gameloft vorinstallieren.

In vielen Haushalten kommt der Fernseher inskünftig sogar ohne Spielkonsole von Microsoft oder Sony aus. Dafür sorgt der Dienst von Onlive auf den Philips-Fernsehern. Gegen eine Monatsgebühr kann man bei Onlive über 200 Konsolenspiele nutzen. Weil für Raserei und Ballerei in maximaler Bildauflösung die Rechenkapazität des Fernsehers nicht ausreicht, wird getrickst. Die Spielszenen werden auf einem Grossrechner bei Onlive gerechnet und als Videostrom an den Fernseher übertragen. Das funktioniert praktisch ohne Zeitverzögerung. Man kurvt also mit dem Gamepad durch die Rennstrecke, ohne zu merken, dass man gar keine Spielkonsole besitzt. In der DACH-Region wird die Server-Infrastruktur von Onlive noch aufgebaut, der Dienst soll sich in der Schweiz auf Philips-Fernsehern ab Herbst nutzen lassen.

Offene Fragen

Die Präsentation der neuen Philips-Fernseher zeigt, dass TP Vision die Verschmelzung von Android und TV-Technik gelungen ist. Allerdings blieben an der Demo wichtige Alltagsfragen ausgespart. Denn bei der üblichen TV-Nutzung kommt es auch auf schnelle Umschaltzeiten beim Zappen, individuelle Senderanordnung sowie einfache Aufnahmeprogrammierung und Verwaltung an. Wünschenswert ist auch die Integration von App-Inhalten in das Live-TV-Bild (Picture in Picture). Wie sich die neue Gerätegeneration in diesen Disziplinen schlägt, kann erst mit marktreifen Modellen getestet werden.

Das Sortiment an neuen Geräten, welches TP Vision ab Frühling auf den Markt bringt, ist riesig. Es startet mit kleinen Full-HD-Fernsehern (4000er-Serie) ab 22 Zoll Diagonale. Die 5000er-Serie wird bereits ab 32 Zoll zu haben sein. Wer für seine TV-Box von Swisscom oder UPC gar keinen Smart-TV will, kann auch zur 6300er-Reihe greifen, die Ambilight, Full-HD und Bildverbesserung bis 55 Zoll enthält, aber weder Smart-TV-Funktionalität noch Android bietet.

UHD-Auflösung gibt es bei den Modellreihen 6400, 7100 und 7600, welche in der 2. Jahreshälfte erhältlich werden. Aussergewöhnlich ist das Modell 7150, das eine kleine Soundbar ins Gehäuse integriert hat, die für verständlichere Dialoge sorgt.

Preise und konkrete Liefertermine für die neuen Modellreihen sind noch nicht bekannt. Offen ist auch, welche Modelle letztlich in der Schweiz erhältlich sein werden.

Ambilight für Musik

Ambilight lässt sich neu auch für die Musikwiedergabe wie eine Lichtorgel aus den 70er-Jahren nutzen. Sogar die LED-Leuchten von Hue flackern dann im Takt.Ambilight lässt sich neu auch für die Musikwiedergabe wie eine Lichtorgel aus den 70er-Jahren nutzen. Sogar die LED-Leuchten von Hue flackern dann im Takt.

Einen besonderen Leckerbissen bieten Philips-Fernseher inskünftig den Musikliebhabern. Ambilight unterstützt neu auch Audioquellen. Bei Ambilight werden durch farbige LED im Bildschirmrahmen die Filminhalte farblich passend durch eine Wandprojektion erweitert. Nun lässt sich Ambilight auch wie eine Lichtorgel aus den 70er-Jahren einsetzen. Egal ob man auf dem TV die Spotify-App startet oder Musik per Audioeingang oder DLNA zuspielt, der Fernseher sorgt für farbliche Stimmung. Dabei kann man zwischen verschiedenen Profilen für die Lichtumsetzung wählen.

Besonders eindrücklich ist die Kombination von Ambilight mit den smarten LED-Birnen von Hue. Wenn man in seine Stubenlampe eine HUE-Birne einschraubt, leuchtet auch diese farblich synchron zum Fernseher. Der Heim-Disco steht also nichts mehr im Weg.

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