Die Angelsachsen kennen für den Grad, deren Akzeptanz den «WAF» («Woman Acceptance Factor») eine graduelle Form der Billigung. Erstrebenswert wäre aber ein «WEF», ein «Woman Excitement Factor»!
Frauen interessieren sich bestimmt so sehr für Musik wie Männer. Wer die Tonhalle, das Kaufleuten oder irgendein anderes Konzertlokal besucht, wird kaum einen deutlichen Männerüberhang feststellen. Je nach Musikstil schlägt das Pendel mal eher Richtung männlich, mal Richtung weiblich aus. Zuhause sind die Verhältnisse jedoch klar. Die Begeisterung für die HiFi-Anlage ist männlich, denn es geht um Technik – und diese ist branchenübergreifend nach wie vor eine Männerdomäne. Ein Beispiel ist auch die Musikproduktion. Frauen bleiben im professionellen Bereich stark untervertreten.
WAF der HiFi-Anlage im Wohnzimmer
Unsere Wohnungen und Häuser werden nutzungsmässig gleichförmig geplant: Den grössten und zentralen Bereich bilden Wohn- und Esszimmer plus Schlaf- und kleinere Kinderzimmer. In diesem Standard-Setting kann die HiFi-Anlage fast nur im Wohnzimmer stehen, meist kombiniert mit dem TV, dem anderen mässig geliebten Technikeingriff. Hoher WAF heisst: Die HiFi-Anlage verschwindet neben dem TV – oder sie macht sich klein.
Es ist die Welt der Soundbars, Kompaktlautsprecher auf einem Lowboard oder schlanke Säulenlautsprecher links und rechts vom TV. Mittlerer WAF heisst: ordentliche Standboxen, direkt vor die Wand gestellt, gerne attraktiv gestaltet und als edle Möbel ein Teil des Wohnzimmers. Niedriger WAF: grosse, extravagante Standboxen, frei in den Raum gestellt. Niedriger WAF bedeutet, ständige Diskussionen oder grosse Liebe zu ihm.
In seltenen Fällen ist die Frau ebenso begeistert von der raumgreifenden Anlage, denn sie hat den guten Ton lieben gelernt und die Folgen verinnerlicht. Das wäre dann WEF – und der WAF wird hinfällig. Dies bedingt einen ähnlichen Zugang zur Musik, denn auch die kleinste Anlage nimmt einen Raum akustisch in Beschlag. Und wenn nur die Flucht vor der Musik hilft, dann ist jeglicher hohe WAF für die Katz.
WAF obsolet: the man’s cave
Ist das Zuhause etwas grösser, hat einen ausbaubaren Keller oder Estrich, oder ein Kind ist ausgezogen, dann folgt die radikale Lösung: Die HiFi-Anlage wird aus dem Wohnzimmer ausgelagert. Der Mann kann seinem Hobby frönen und der WAF ist kein Thema mehr, der WEF aber auch nicht.
Wären unsere Wohnungen nutzungsneutraler gestaltet, mit austauschbaren, gleichwertigen Räumen guter Grösse, statt ausladenden Wohnzimmern, so hätte es Platz für verschiedene Hobbys und damit die friedliche Koexistenz. Nicht umsonst nimmt die räumliche Trennung in Form von Single-Haushalten gerade stark zu.
WAF auch obsolet: Boomboxes und Kopfhörer
Ebenfalls stark zunehmend sind Kopfhörer, denn sie machen den WAF überflüssig und tragen einiges zum WEF bei. Wer auf der Strasse herumschaut, wird betreffend HiFi keinen Gender-Gap feststellen. Auch zuhause ist die Lösung optimal: Man kann in Originallautstärke hören, ohne zu stören. Die grossen, klassischen HiFi-Firmen haben dies erkannt und fahren damit die grossen Umsätze. Leider wird Musik selten kopfhörergerecht aufgenommen, doch daran kann man sich gut gewöhnen.
Der Boom der Boomboxes bedient den Drang zur Reduktion der Technik im Wohnraum und der bequemen Bedienung. Wenn die Musik eh nur noch eine wohltemperierte Klangtapete ist, dann mag die Klangqualität eine untergeordnete Rolle spielen. Wie der Soundengineer seinen Mix gestaltet hat, wird man so leider nie erfahren. Der Klang ist näher beim Mono-Radio der 50er-Jahre als bei einer ordentlichen Stereoanlage. Die Industrie überbietet sich gerade darin, diese Kategorie mit allerlei technischen Kniffen auszureizen, um die Nachteile zu überspielen. Der «Excitement Factor» hält sich für beide Geschlechter in Grenzen, aber das Konzept taugt und ist erfolgreich.
Der Weg zum hohen WAF: Design
Die HiFi-Hersteller, die in den Wohnzimmern überleben wollen, nehmen den WAF ernst. Sie investieren viel in die Gestaltung und Ausführung der Geräte, vor allem der Lautsprecher. Diese genügen optisch und verarbeitungstechnisch höchsten Ansprüchen und nutzen edle Materialien. Mit einem betont technischen Look bedienen sie aber auch das Verlangen der Boys nach den Toys.
Zugute kommt ihnen auch die Aktivtechnik, welche die Gehäuse schrumpfen lässt und hochintegrierte Anlagen ermöglicht. Denn damit spart man die Geräte weg (siehe auch: «Magerkur für Boxen»). Die Männer kommen je länger, desto mehr auch auf den Geschmack des hohen WAF. Das Gesundschrumpfen wird zur Annäherung der Vorlieben.
Der Weg zum hohen WEF: Konzertfeeling
Der Königsweg, um bei der Partnerin die Freude an der Musik zu wecken, bleibt das Konzertfeeling im Wohnzimmer. Jeder ernstzunehmende Hersteller suggeriert genau diesen Effekt und muss sich den Platz trotzdem mit hohem WAF erkämpfen. Vielleicht lassen sich die Frauen nicht so schnell mit Tonkonserven abspeisen – und seien sie noch so gut produziert. Live ist nun mal ein anderes Erlebnis: gemeinsam in der Menge, die Band vor sich, grosse Räume, hohe Lautstärke, Adrenalin.
Nach Hause lassen sich aber zwei Dinge transportieren: der gute Sound und die Lautstärke. Letztere kann am lärmempfindlichen Nachbarn scheitern, oder am feinen weiblichen Gehör. Denn bei hohen Pegeln werden sämtliche Fehler, welche die Anlage in einem Raum produziert, überproportional verstärkt. Schnell bauen Raummoden die Bassdrums zu einem üblen Gewabber auf; und kahle Wände lassen die Geigen kreischen. Aber auch die Lautsprecher sind früher überfordert als einem lieb sein mag. «Mach bitte leiser!» bedeutet nicht nur, dass der Partnerin die Musik nicht gefällt.
Weshalb empfindet man die Urgewalt eines Orchesters in der Tonhalle als angenehm? Dort stimmt die Akustik, der Raum ist riesig und das Gehör nimmt die Lautstärke in grossen Räumen anders wahr. An einem Konzert mit elektronisch verstärkter Musik ist dies nicht anders, nur ist dort die Akustik weniger ausgefeilt und die Kompetenz des Mixers ist entscheidend. Konzertfeeling stellt sich trotzdem ein. Aber auch kleine Räume können hohe Pegel gut ertragen. Wer in einem akustisch hochwertigen Tonstudio eine gut gemischte Aufnahme gehört hat, weiss Bescheid. Tonstudios sind die ultimativen «men’s cave»!
Letztlich ist es nicht entscheidend, wie der Mix zustande kommt, damit das berühmte Konzertfeeling entsteht. Ob es nur live funktioniert, ob es hohe Pegel braucht, oder ob es sich auch bei geringen Pegeln einstellt, ob Vinyl nötig ist, ein Röhrenverstärker, ob dieser oder jener Lautsprechertyp. Aber: Ohne Konzertfeeling kein «excitement» und kein WEF.
Ein Beispiel? Ich darf die Dame des Hauses im ersten Bild des Artikels zitieren: «Es war Liebe auf den ersten Blick. Als ich die knallroten Hornlautsprecher mit Unterbau das erste Mal sah, dachte ich: «Wow, die sind toll! Nach der Hörprobe war es vollends um mich geschehen. So Musik hören zu dürfen, ist wie an einem Konzert vor der Bühne zu stehen. Man (oder hier eben frau) vergisst alles rundherum. Dann hatte ich das Glück, dass mein Partner angebissen hat und die Prachtstücke käuflich erwarb.»
Ein ähnliches Erlebnis hatte ich vor Jahren. Die ersten elektrostatischen Lautsprecher Quad ESL, Ende der 50er-Jahre eingeführt, Kosename «Heizstrahler», hatten den Ruf, ein Trennungsgrund zu sein, sobald sie ins Wohnzimmer einziehen. Auf einer Messe betrat eine Frau unseren Raum und meinte: «Wow, sehen die cool aus. Und dieser Klang!» Die ESL erinnerten nicht an einen Lautsprecher, sondern an ein sonderbares Möbelstück. Sie war hin und weg und die Geräte vom Mann schnell bestellt. Er war wohl ähnlich baff wie wir und hocherfreut! WEF pur und eine Botschaft an highfidele Männer: Sucht diese Emotionen!
Klangschloss vom 21.–23. April: WEF mittel bis hoch!
HiFi muss Frau und Mann erleben, um sich begeistern zu lassen. Im Schloss Greifensee ergibt sich alle Jahre die Gelegenheit, im rustikalen Ambiente Musikanlagen anzuhören, die faszinieren: von klein bis riesig, von retro bis Hightech. Manche Anlagen mögen polarisieren, aber sie lassen einen nicht kalt. Der Verein AAA (Analog-Audio Association) stellt zudem Anlagen für (junge) Vinyl-EinsteigerInnen aus, die über Ricardo ersteigert werden können. Cooles HiFi muss nicht teuer sein.
Konzertfeeling kommt zuallererst an den Aufnahme-Sessions im Landenberg-Konzertsaal auf. Ob Jazz, Flamenco oder Blues: Jede Band wird ihr Bestes geben, schliesslich entsteht davon ein Doppelalbum. Als Gast ist man nahe dran. Die Aufnahmetechnik wird begreifbar. Dies gilt erst recht für den «Sessions Broadcast»: Die Aufnahme der ersten Session wird zweimal täglich simultan über sämtliche Musikanlagen übertragen. Jede und jeder kann selbst beurteilen, wie gut das Konzertfeeling über die diversen Anlagen erhalten bleibt.
Wenn das Gehör so viel Klänge nicht mehr ertragen kann, dann bietet sich ein Spaziergang am Greifensee an. Das sanfte Geräusch der Wellen wird das Gehör beruhigen.
Infos: www.klangschloss.ch