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Publikationsdatum
20. November 2022
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In einschlägigen Gruppen, vorwiegend auf Facebook, wird viel über Erfahrungen mit HiFi-Geräten berichtet. Darunter Geräte, die dem Segment der High-End-Geräte zugeschrieben werden können. Dies sind hochpreisige und hochwertige Geräte mit besonderer Verarbeitungsqualität unter Verwendung ebenso hochwertiger Komponenten und Bauteile. Da in solchen «Posts» viel geredet wird – und noch öfter über Probleme – fällt auf, dass Qualitätsprobleme, die zu Reparaturen führen, eher milde und verständnisvoll diskutiert werden. Die Entrüstung ist selten die Reaktion. Es ist vielmehr die Besorgnis, die überwiegt.

Die gemachten Erfahrungen beschreiben dann meistens die Reaktion der Vertriebskanäle der Hersteller und ganz besonders die der Händler. Ihnen wird meistens ein gutes Zeugnis ausgestellt. Sie sind an Ausfällen von High-End-Geräten ja in der Regel nicht schuld, aber ihnen obliegt die unbürokratische und schnelle Bearbeitung der Reklamationen. Da werden den Kunden für die Dauer der Reparatur Ersatzgeräte zur Verfügung gestellt. Defekte Geräte werden sogar abgeholt und reparierte Geräte persönlich geliefert. Der Versand wird dem Kunden bezahlt. Für die Händler ist es eine gute Investition in ihr Image. Sie tun viel für die Kundenbindung und bleiben in guter Erinnerung. Da geht man als HiFi-Musikhörer gerne wieder hin.

Mir fiel vor ein paar Wochen eine Diskussion in einer Erfa-Gruppe auf, bei der ein Musikhörer beklagte, dass ein Lautsprechertreiber im Lautsprecher eines renommierten Herstellers plötzlich Kratzgeräusche von sich gab. Der Treiber wurde anstandslos ausgetauscht – vor Ort und vom Händler und in kurzer Zeit. Da gab es viel zu diskutieren, aber ein Kommentar stach mir besonders ins Auge:

«Viele Hersteller überleben nur, weil die User schweigen.»

Gewiss sind die betroffenen Kunden in erster Linie an der dringlichen Behebung des Defekts interessiert und weniger daran, wie häufig solche Defekte auftreten. Der Defekt wird auch gerne und gekonnt als Einzelfall dargestellt und tritt in aller Regel pro User nur einmal auf. Es ist nachvollziehbar, dass die Kunden kein Aufhebens machen. Der Qualität insgesamt wäre es förderlich, wenn sie das täten und die Hersteller etwas unter Druck gerieten.

Die professionelle Reparatur ist zwar eine gute Sache, wäre ohne das eigentliche Problem aber nicht erforderlich. Niemand müsste sich mit Dienstleistungen beweisen, die nicht oder seltener erbracht werden müssen. Es würde weniger Kosten verursachen.

Die «Dynamik des Schweigens»

Die «Dynamik des Schweigens», die stille Akzeptanz von Qualitätsproblemen und die Qualitätsprobleme selbst, haben verschiedene Ursachen. HiFi ist ein emotionales Thema. Die Musikhörer lieben nicht nur Musik, sondern auch ihre Geräte. Sie sind mit den Herstellern verbunden, die sie vielleicht persönlich kennen. Wenn zuhause Haarföhn oder Staubsauger den Geist aufgeben, ist man verärgert. Wenn der Audioverstärker «abraucht» ist man besorgt, kann nicht schlafen. Bei hochpreisigen, mechanischen Armbanduhren erlebt man dasselbe Phänomen. Der Besitzer eines besonderen Guts will dessen Besonderheit und damit auch den besonderen Geschmack von sich selbst nicht in Zweifel ziehen. Diskretion ist Gebot.

Die betroffenen Geräte werden von ihren Besitzern auch gerne als «empfindlich» verstanden. Es ist geboten, Sorge zu tragen. Ein plötzlicher Defekt wird deshalb, wenn auch auf der emotionalen Ebene, als Eigenverschulden empfunden. Die «Beziehung» zum Gerät, die Loyalität zum Hersteller, ist emotional geprägt. Man lässt auch die Familie nicht ran. Die HiFi-Anlage wird zum behüteten Gut und steht im eigens dafür bestimmten Hörraum.

Der Musikhörer ist auch nicht gerne dem Spott seiner Arbeitskollegen beim Feierabendbier ausgesetzt, und schweigt über Qualitätsprobleme mit seiner High-End-Anlage. Die Kollegen tun wohl gleiches, wenn das getunte Auto mit den vielen PS und der tiefergelegten Karosserie mit einem Randstein Bekanntschaft geschlossen hat. Das Schweigen und die stille Akzeptanz sind psychologische Phänomene.

Die Ursachen der Qualitätsmängel bei High-End-Preziosen

Die Qualitätsmängel bei High-End-Preziosen haben handfestere Ursachen: Kleinere Manufakturen, die von einer gewissen Sympathie gerne und ausgiebig profitieren, produzieren Kleinmengen in kleinen Fertigungslosen. Die professionelle Qualitätssicherung oder auch der Begriff des Qualitätsmanagements kennt man manchmal nur vom Hörensagen. Wichtige Komponenten werden zugekauft, in ebenso geringen Mengen. Eine Qualitätssicherung, die auch die Zulieferer einschliesst, ist bestenfalls ein hehres Ziel. Die Kunden, die von ihren Geräten überzeugt sind, halten ihnen die Stange, egal was passiert. Sie geben ihnen die Zeit, Kinderkrankheiten auszumerzen – wenn es denn geschieht.

Die fortschreitende Integration von neuer Technologie in bewährte Gerätetypen ist auch als Ursache zu werten. Es lohnt sich auch für grössere Hersteller nicht, Technologie selbst zu entwickeln, die ab Stange verfügbar ist und sich vielleicht mit ein paar gekonnten Anpassungen noch etwas frisieren lässt. Wer heute Gelegenheit hat, in viele Geräte hineinzuschauen und auch etwas von der Fertigung versteht, bemerkt unterschiedliche Platinen, die eindeutig nicht aus der gleichen Produktion stammen können. Da wird allerlei zugekauft und verarbeitet, von der Streaming-Engine bis zur Stromversorgung und auch der Platine, welche für die hübschen Displays hinter polierten Glasfronten erforderlich ist. Jede zugekaufte Funktion, die der Kunde wünscht und der Konkurrent bereits anbietet, birgt die Gefahr von Ausfällen, deren Wahrscheinlichkeit man mit einer einfachen Eingangskontrolle nicht zum Guten beeinflussen kann. Sie kann aber auch Zuverlässigkeit ins Spiel bringen.

Warum der Handel gut abschneidet

Die vorbildliche Bearbeitung von Beanstandungen ist eine der wichtigsten Aufgaben des Verkaufs. Sie schafft eine Kundenbindung. Wenn die Kunden zufrieden sind, wollen sie keinen oder weniger Kontakt. Der Handel kann mit Qualitätsproblemen nur gewinnen, wenn es auch kostet. Schon mancher Auftrag wurde nach dem Abschluss einer Reparatur bei einem Glas Wein in der Wohnküche des erleichterten Kunden in harmonischer Zweisamkeit erteilt oder angesprochen. Wer sich dem verschliesst und das Gerät lieber zur Post bringt, verpasst eine Chance, kann nicht einmal einen Blick auf die HiFi-Anlage des Kunden werfen, um neue Geschäftsmöglichkeiten zu orten.

Die Hersteller setzen bewusst auf den Handel, der sie abschirmt. Einfachere Reparaturen werden mit Garantieübernahmen an die Distribution delegiert. Dafür lässt man gerne 5 % Zusatzmarge springen. Komplizierte Probleme/Reparaturen kann man vereinfachen. Etwa mittels Geräteaustausch oder dem Austausch von Funktionseinheiten, was eine modulare Bauweise voraussetzt. Die Ersatzteile sind zwar teuer, nicht aber im Vergleich zu den Logistikkosten über Landesgrenzen und Kontinente hinweg.

Friede, Freude, Eierkuchen?

Ja und nein. Solange die User eher schweigen und sich die Hersteller im Verbund mit dem Handel vor allem auf die Fehlerbehebung konzentrieren, werden Fehlerursachen zu wenig konsequent angegangen. Man kann aber dagegen einwenden, dass sich Funktionsprobleme immer häufiger im Bereich der Netzwerkintegration und der Software abspielen. Sie lassen sich in vielen Fällen nicht eindeutig dem Hersteller anlasten. Solche «Fälle» kann aber jeder abgrenzen. Die Diskussionsforen im grossen, weiten WWW eignen sich jedenfalls vorzüglich, sich objektiv kritisch zu Wort zu melden, denn die Hersteller lesen mit.