TESTBERICHT
Der Devialet 120 ist flach, spiegelblank und sehr wertig verarbeitet. Die erhebliche Erwärmung erfordert eine relativ freie Aufstellung oder die Wandmontage mit optionaler Halterung.Der Devialet 120 ist flach, spiegelblank und sehr wertig verarbeitet. Die erhebliche Erwärmung erfordert eine relativ freie Aufstellung oder die Wandmontage mit optionaler Halterung.

Die Audiowelt verändern

Der französische Hersteller Devialet will mit einer neuen Verstärkertechnologie die Audiowelt verändern, und zwar grundlegend. Diese Ansage dürfte von der „Audiowelt“ a priori mit einer gewissen Skepsis bedacht werden, zumal diese Audiowelt nicht eben progressiv eingestellt ist.

Im Gegenteil: High End Audio wird immer noch vom konservativen Ketten-Gedanken beherrscht, der die individuelle Einflussnahme des Musikhörers auf jedes Glied seiner Musikanlage impliziert und als hohe Kunst verherrlicht. Die Zukunft des High End Audio könnte auch so aussehen, wie sich das Devialet vorstellt.

Zu diesem Schluss sind zahlreiche Fachleute seit der Ersteinführung von Devialet gelangt. Sie haben Devialet mit Auszeichnungen und Würdigungen behängt, wie den Weihnachtsbaum mit Kristallkugeln und das nicht ohne Grund: Der Zeitgeist verlangt nach einfacher Bedienung, maximaler Performance und Design, welches dem moderne Ambiente huldigt.

Nachhaltige Technologie

Der Devialet 120 ist mit 120 Watt Ausgangsleistung das kleinste von vier Modellen. Am anderen Ende steht der Devialet 800 in Doppel-Mono mit 800 Watt Stereo-Ausgangsleistung. Die Verstärker dürften somit in der Lage sein, jeden erdenklichen Passivlautsprecher laststabil anzutreiben.

Die besondere Hybridverstärkung vereint eine analoge Spannungsverstärkung mit einem Schaltverstärker für den Strom. Solche Schaltverstärker werden fälschlicherweise oder vereinfachend als Digitalverstärker bezeichnet. Dabei werden Transistoren mittels Pulsweitenmodulation einfach als hocheffiziente und superlineare Leistungsschalter eingesetzt. Aus den Pulsweiten lässt sich das analoge Audiosignal sozusagen herauslesen. Hier wird nicht à la PCM quantisiert und deshalb sind Schaltverstärker ähnlich wie DSD quasi analog.

Die Nachhaltigkeit dieser Verstärkerschaltung manifestiert sich mit der EVO-Plattform, über die die Weiterentwicklung des Verstärkers dem Kunden als Software-Download regelmässig zur Verfügung steht. Die Wirkung dieser Upgrades wird von Devialet mittels Testemonials werbewirksam untermauert. Ein Verstärker, dessen Klangqualität und Performance dem Kunden jederzeit aktualisiert zur Verfügung steht, ist auch ohne Reklame ein Novum.

SAM = Speaker Active Matching

Drahtlose Fernbedienung mit tadelloser Haptik. Zwei der vier Funktionstasten sind frei konfigurierbar.Drahtlose Fernbedienung mit tadelloser Haptik. Zwei der vier Funktionstasten sind frei konfigurierbar.

Weniger neu ist der Einsatz von DSP (Digital Sound Processing) zwecks Phasenkorrektur, Tieftonerweiterung, Überlastschutz, Laufzeitoptimierung, Latenz-Verhinderung sowie Pre-Echo- und Verzerrungskontrolle. Neu ist, dass diese Korrekturen für zahlreiche Lautsprechermodelle namhafter Hersteller zur Verfügung stehen, und es werden immer mehr. Die Messdaten dieser Lautsprecher werden erfasst und in SAM-Konfigurationen umgewandelt. Diese Konfigurationen werden vom Kunden für den spezifischen Lautsprecher heruntergeladen und in das Gerät eingelesen. Die Wirkung der Korrektur kann dann durch Umschalten mit/ohne Korrektur gehört werden.

SAM dient auch der Anbindung von Devialet an bekannte Lautsprecher-Hersteller und ist effektives Co-Marketing: Man gibt den Besitzern von SAM-kompatiblen Lautsprechern einen sanften Schubs in Richtung Devialet und den Devialet-Besitzern eine Empfehlung zugunsten der Lautsprecher, die von SAM unterstützt werden.

Man darf aber zur Kenntnis nehmen, dass der Devialet 120 auch an Lautsprechern gut klingt (und vielleicht noch besser), die nicht auf dieser Liste stehen. Zum Glück, denn unsere Präferenzen betreffend der Lautsprecher sind sehr individuell.

Der Konfigurator

Konfigurerbare Ein/Ausgänge. Das Anschlussfeld verschwindet unter der Blende.Konfigurerbare Ein/Ausgänge. Das Anschlussfeld verschwindet unter der Blende.

Ein wenig furchteinflössend ist die Möglichkeit/Notwendigkeit, den Devialet vor der Inbetriebnahme mit dem On-Line Konfigurator exakt der Anwendung anzupassen. Davor muss man sich, wie die Praxis zeigt, nicht fürchten. Es ist nur ungewohnt. Am besten erkläre ich den Konfigurator anhand eines Praxisbeispiels.

Man setzt eine SD-Karte in den PC und geht auf den Advanced-Konfigurator auf devialet.com und wählt dort das Devialet-Modell. Sie können das auch tun, ohne ein Gerät zu besitzen. Der Konfigurator zeigt die Geräterückseite mit sämtlichen Ein- und Ausgängen. Ich kann nun zum Beispiel den Analogeingang 2 als Phonoeingang konfigurieren. Ich wähle MM oder MC sowie den Maximalpegel meines Tonabnehmers. Ab dem Devialet 200 kann ich dank dem erweiterten Phono-Modul auch die Lastimpedanz und die Anschlusskapazität des Tonabnehmers/Kabels einstellen.

Genauso kann ich die unterschiedlichsten Digitaleingänge konfigurieren. USB, WiFi, S/PDIF optisch und RCA, einfach alles was möglich ist.

Die Konfiguration der Lautsprecherausgänge erlaubt, die Wahl des jeweiligen Ausgangs für links oder rechts, die Aktivierung verschiedener Filter, deren Flankensteilheit und Mittenfrequenz, sowie der maximalen Leistung, die der Lautsprecher erhalten darf. Das ist ein einfacher parametrischer Equalizer. Natürlich gibt es eine lineare Default-Einstellung. Dort kann ich auch SAM konfigurieren: Ich wähle aus einem Menu das entsprechende Lautsprechermodell der SAM-Familie, um deren DSP-Daten zu erhalten.

Unter den Remote Settings kann ich zwei von vier Tasten der Devialet-Fernbedienung mit speziellen Funktionen belegen. Ich kann die Eingänge natürlich auch benennen und de-aktivieren. Damit habe ich die Eingänge zur Verfügung, die ich wirklich brauche.

Ist die Konfiguration abgeschlossen, fordert man als Download den Datensatz an und speichert ihn auf die SD-Karte. Damit geht man zum ausgeschalteten Devialet, steckt sie ein und aktiviert das Gerät. Nach wenigen Sekunden sind die Einstellungen gespeichert.

Sie können das Gerät jederzeit neu konfigurieren. Alle Ihre Konfigurationen können Sie jederzeit wieder abrufen.

Digital-Betrieb

Bei Wandmontage dreht sich das runde Display so, dass die zahlreichen Betriebsinformationen auf dem Display nie Kopf stehen.Bei Wandmontage dreht sich das runde Display so, dass die zahlreichen Betriebsinformationen auf dem Display nie Kopf stehen.

Als digitale Quellen kann man Streaming Clients, PC/Mac, CD-Laufwerke usw. einsetzen. Der Devialet ist kein Musikserver. Direktes Streaming ab NAS ist nicht vorgesehen. Dafür kann der PC/Mac via Devialet-Air-Schnittstelle wireless oder über Ethernet gekoppelt werden und braucht nicht bei der Anlage zu stehen. Typischerweise verwendet man dann iTunes mit Bit-Perfect und überträgt den Datenstrom wireless bis zu 24 Bit/192 kHz, PCM und DSD.

Natürlich kann man den Rechner auch über USB anschliessen und dann jeden passenden Audioplayer verwenden (Audirvana, Amarra, PureMusic, iRiver et al). Dazu kann man Musik von Tablets und Smartphones jeder Couleur an den Devialet senden, was vor allem bei Internetradio und Musikstreaming-Diensten sinnvoll ist.

Es wäre durchaus zu bedenken, eine Streaming-Funktion zu integrieren. Viele Musikhörer bevorzugen Musikserver vor Computern. Vielleicht wäre das Gerät damit aber auch überladen. Man hat sich die Abgrenzung wohl gut überlegt.

Optik, Haptik und Fernbedienung

Der Devialet 120 ist flach, spiegelblank und sehr wertig verarbeitet. Die erhebliche Erwärmung erfordert eine relativ freie Aufstellung oder die Wandmontage mit optionaler Halterung. Bei Wandmontage dreht sich das runde Display so, dass die zahlreichen Betriebsinformationen auf dem Display nie Kopf stehen. Die Geräte-Rückseite ist gut zugänglich, wenn man die Schiebe-Abdeckung entfernt und nach getaner Arbeit wieder einsetzt. Damit sind auch die Stecker nicht mehr sichtbar. Aufgrund der geringen Bauhöhe und der Abdeckung ist es nicht möglich, voluminöse Netzstecker zu verwenden, solche, die wir bei hochwertigen Netzkabeln oft verwenden.

Die Optik des Geräts ist spektakulär und emotional anziehend. Die drahtlose Fernbedienung besteht aus einem Drehregler und vier Tasten. Der Drehregler läuft bewusst mit einem gewissen Widerstand, der einem das Gefühl von Leistung vermittelt. Haptik ist wichtig, nicht nur bei Autos. Die polierte Oberfläche macht Fingerabdrücke schnell sichtbar. Das empfinde ich bei der Fernbedienung als Nachteil. Zum Trost ist ein Mikrofasertuch in der Verpackung.

Die drahtlose Fernbedienung ist ein Juwel. Sie koppelt sich automatisch mit dem Gerät, wenn man sie einmal auf das Gerät stellt und läuft dann zwei Jahre mit den drei Batterien. Standardmässig kann man das Gerät damit ein- und ausschalten, Lautstärke regeln, stummschalten, die Quelle einstellen sowie Balance und Klangregelung bedienen. Zwei der Tasten können auch für andere Funktionen konfiguriert werden. Die Fernbedienung hat keine Anzeige, funktioniert also unidirektional.

Die Fernbedienung kann ergänzend auch als App z.B. auf einem Smartphone (Android, Apple) installiert werden und funktioniert dann auf dem Touchscreen mit identischer Funktionsanzeige wie beim Gerät und der Möglichkeit, Musik vom Smartphone abzuspielen.

Klangbeurteilung

Der Konfigurator auf dem PC am Beispiel der Konfiguration des Phono-Eingangs.Der Konfigurator auf dem PC am Beispiel der Konfiguration des Phono-Eingangs.

Ich habe den Devialet 120 mit verschiedenen Lautsprechern aus meinem Studio getestet. Vom ausgewachsenen Standlautsprecher (WLM-Diva MKII und Lyra Reference MKIII) bis zu den W5 Kleinmonitoren von Boenicke und einiges dazwischen, um unterschiedliche Wirkungsgrade und Impedanzen zu berücksichtigen. Die 120 Watt Nennleistung erwiesen sich in jedem Fall als völlig ausreichend. Ich verfüge allerdings über Lautsprecher, die ein unproblematisches Lastverhalten aufweisen. Flächenstrahler usw. kann ich nicht beurteilen.

Vinyl habe ich nur kurz getestet. Der Devialet 120 lässt im Gegensatz zu den grösseren Modellen keine Anpassung der Lastimpedanz und der Kapazität des Tonabnehmers/Tonarmkabels zu. Der Phoneingang klingt gut für recht hohe Ansprüche, vermochte dem Manley Chinook an meinem Feickert Blackbird 2 mit Kuzma Stogi Reference und Lyra Kleos aber nichts entgegen zu setzen. Der Devialet 200 könnte mit der erweiterten Phonstufe wahrscheinlich eine Verbesserung bewirken, doch ist die Phonovorstufe bei ambitionierten Vinyl-Hörern ein sensibles Thema. Fast jeder hat hier seine Präferenzen, die auch mit dem Hörgeschmack einhergehen. Zum Glück lässt sich eine Phonovorstufe beliebiger Präferenz über einen Line-Eingang anschliessen, was für diese Zielgruppe wohl die bessere Lösung ist. Bei mir ist das der Fall.

Die digitale Wiedergabe erfolgte zunächst mit dem Mac, iTunes und BitPerfect via Devialet Air (drahtlos). Das Resultat war sehr gut aber einen Strich besser klang es mit dem Pure Music 2 Player via USB mit dem Audioquest Carbon USB-Kabel. Der Unterschied war aber auf die Player-Software zurückzuführen und liegt nicht an Devialet-Air vs. USB. Für WiFi braucht man ein gutes WLAN.

Dies ist die Auslegeordnung. Nun zum Klang:

Der Devialet erzeugt einen grosszügigen Raum in allen Dimensionen und bildet die Akteure in richtiger Proportion räumlich tadellos ab. Er spielt ein wenig nach hinten, was ich persönlich bevorzuge und auch von der Raumakustik beeinflusst wird. Die Bass-Kontrolle ist phänomenal, und das bei allen Lautsprechern im Test. Der Klangcharakter ist transparent, hochauflösend aber völlig integer, und das unabhängig von der Lautstärke. Schlagzeugattacken und Perkussion sind ein Fest und fast nicht zu toppen. Stimmen wie René Fleming oder auch die Callas (auf einer seltenen, guten Aufnahme) berühren mit natürlichem Timbre und lassen mich wohlig erschauern. Ein hochmusikalisches Gerät.

Ich konnte es nicht verkneifen, beim passenden Lautsprecher den Minueta EL84 von WLM mit 12 Röhren-Watt/Kanal ins Feld zu führen – für mich die Referenz bei Leuchtkraft und Zauber im Hoch-Mitteltonbereich. Der Devialet 120 kommt sehr nahe, was mich bei David Oistrach (Schottische Phantasie, DECCA) sehr beeindruckt. Der Minueta fällt dann bei pfundiger Lautstärke im Bassbereich schnell ab, was natürlich nicht verwundert. Mein „Meister des Feingeists“ lässt sich nur an „Laut-Lautsprechern“ einsetzen und zaubert nur dort ein wenig mehr als der Devialet.

Die Aufnahme von Patty Griffin (Tomorrow Night auf dem Album 1000 Kisses) hat nichts Grelles, wie bei manchem (Transistor) Verstärker und wirkt doch präsent mit viel Kontrast, wird also auch nicht abgedunkelt oder gesüsst, wie es manche Röhren tun. Bei dieser kritischen Aufnahme ist das eine perfekte Darbietung von Devialet.

Der Verstärker überzeugt völlig. Eigentlich können nur Hörgewohnheiten bzw. Hörgeschmack von diesem grossartigen Klangerlebnis ablenken. Das ist immer zu berücksichtigen. Mit ein wenig Toleranz kann sich das Blatt aber auch bei „eingefahrenen“ Musikhörern schnell wenden und der Devialet steht auf der Einkaufsliste. Nur eines hat er mit allen Verstärkern gemein: Man muss ihn mit den eigenen Lautsprechern zuhause gehört haben.

Fazit

Nur eines hat er mit allen Verstärkern gemein: Man muss ihn mit den eigenen Lautsprechern zuhause gehört haben.Nur eines hat er mit allen Verstärkern gemein: Man muss ihn mit den eigenen Lautsprechern zuhause gehört haben.

Der Devialet 120 kostet 5990 CHF und ist eine Investition. Die Kombination von Verstärker, DA-Wandler und Phonovorstufe kombiniert mit unglaublichen Konfigurationsmöglichkeiten und Zugriff auf jede denkbare Quelle lassen ihn dennoch preiswert erscheinen. Dazu profitiert der Besitzer von künftiger Weiterentwicklung und der Tüftler kann stundenlang optimieren und tunen. 

Ich würde den Verstärker als Lautsprecher-neutral bezeichnen. Will heissen, man braucht sich keine Sorgen zu machen, wenn man einmal einen neuen Lautsprecher kauft, ausser vielleicht bei Exoten. Ich glaube nicht, dass der Devialet 120 mit irgendeinem passiven Lautsprechersystem mit vernünftigem Wirkungsgrad nicht harmoniert.

Für die Puristen ist die Lifestyle-Komponente wohl etwas zu dominant, aber man kann auch umdenken. An der Wand montiert hat man schliesslich auch einen tollen Spiegel. Das ist ein Argument für die „betriebsinterne“ Überzeugungsarbeit. Da muss man kreativ sein.

Direktes Musikstreaming von einem NAS mit einer eigenen Mediathek-Oberfläche sollte von Devialet in Betracht gezogen werden. Es wird immer viele Musikhörer geben, die nichts mit PC/Mac am Hut haben. Schlau wäre bestimmt ein separater Streamer. Im Devialet 120 scheint es keinen freien Platz mehr zu geben.

Ob sich SAM durchsetzt, würde ich bezweifeln. Messtechnisch ist das Prinzip korrekt und einleuchtend, aber Devialet spielt ein wenig mit dem Feuer. Das Prinzip polarisiert. Die Wahl des Lautsprechers würde ich niemals von der SAM-Tauglichkeit abhängig machen.

Ein wenig Purismus darf sein.

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