MAGAZIN
ARTIKEL
Publikationsdatum
5. Mai 2000
Themen
Drucken
Teilen mit Twitter
Für die Musikwiedergabe wurden ehrgeizige Schallwandlersystme erschaffen
Für die Aufgabe, elektrische Signale in akustische Schwingungen zu transformieren, erfand man die unterschiedlichsten und einfallsreichsten Wandlersysteme. Die Palette reicht vom relativ simplen dynamischen Tauchspulenwandler, der in der überwiegenden Mehrzahl aller Lautsprecher seine Anwendung findet, über exotische Magnetostaten bis zum ultramodernen Biegewellenwandler à la NXT-Flatpanel. Der Artikel erklärt die einzelnen Konstruktionsprinzipien der Schallwandlertypen und zeigt deren Vor- und Nachteile auf.

Der Lautsprecher ist ein Wandlersystem

Während zu Beginn des Zeitalters der Tonwiedergabe die Aufnahme und Wiedergabe mit der Edinsonschen Walze noch rein mechanisch erfolgten und damit beträchtlichen Limitierungen unterworfen waren, haben wir uns längst daran gewöhnt, dass akustische Ereignisse elektronisch festgehalten werden. Sowohl bei der Aufnahme als auch bei der Reproduktion wird dabei ein Wandlersystem notwendig. Aufnahmeseitig wandelt das Mikrofon Schalldruck in elektrische Energie. Die vom Mikrofon erzeugte Leistung ist aber gering und bedarf einer elektronischen Verstärkung. Dem Lautsprecher fällt die Aufgabe zu, die ankommenden elektrischen Signale ohne Eigenklang wieder in Schallwellen umzusetzen. Gerade die Forderung „ohne Eigenklang“ bereitet in der Praxis aber grosse Probleme. Obwohl inzwischen sehr hochwertige Lautsprechersysteme auf dem Markt sind, soll dies nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, das der Lautsprecher das Element in der Wiedergabekette bildet, welches abgesehen von der Raumakustik mit Abstand die grössten Verfälschungen „produziert“, und dessen Unzulänglichkeiten weit über dem Mass von Elektronik und Kabeln liegen. Der Lautsprecher muss einen relativ hohen Schalldruck erzeugen, wodurch ein leistungsfähiges, mechanisches System notwendig wird, dessen Verhalten schwierig in den Griff zu kriegen ist. Der schlechte Wirkungsgrad von Lautsprechern (0.5-3%) verlangt zudem eine grosse Leistungszufuhr und eine entsprechend „grobe“ Mechanik, welche einen Grossteil der Restenergie als Wärme abführen kann. Dazu wurden die unterschiedlichsten Wandlersysteme entwickelt, auf die wir hier einzeln eingehen wollen.

Elektrodynamische Wandler

Die überwiegende Anzahl von Lautsprechern verwendet noch immer den 1927 von den Amerikanern Rice & Kellog vorgestellten dynamischen Tauchspulenwandler.
Die überwiegende Anzahl von Lautsprechern verwendet noch immer den 1927 von den Amerikanern Rice & Kellog vorgestellten dynamischen Tauchspulenwandler.
Am gängigsten ist sicherlich der von beiden Amerikanern Rice & Kellog 1927 vorgestellte und nach dem Tauchspulenprinzip arbeitende elektrodynamische Wandler, der als Konus- und Kalottenlautsprecher in der überwältigenden Anzahl von Lautsprechern heute noch Verwendung findet . Der Nachteil des (elektro-)dynamischen Wandlers liegt in seiner relativ grossen Masse und der damit verbundenen Trägheit des Systems. Der Einschwingvorgang des Feder/Masse-Systems produziert, hervorgerufen durch die bewegte Masse und der Rückstellkräfte der Federeinspannung, mehr oder weniger ausgeprägte, kurzzeitige Überschwinger, welche im ursprünglichen Eingangssignal nicht vorhanden sind und vom menschlichen Gehör - wie neuere audiologische Untersuchungen belegen - als Ortungsinformation wahrgenommen werden. Diese Einschwinggeräusche führen zu Hörschwellenverschiebungen (man möchte zunehmend die Lautstärke etwas erhöhen) und ermüden auf die Dauer, da das Gehör die „zusätzlichen“ Informationen als kaschierend erkennt und aktiv ausfiltert.

Das schnelle Bändchen

Prinzipschaltbild eines Bändchen. Fliesst ein Strom durch die Membran, wird diese aufgrund der magnetischen Induktion ausgelenkt.
Prinzipschaltbild eines Bändchen. Fliesst ein Strom durch die Membran, wird diese aufgrund der magnetischen Induktion ausgelenkt.
Bändchenlautsprecher gibt es seit längerem in verschiedensten Ausführungen auf dem Markt. Der grosse Vorteil liegt darin, dass hier Spule und Membran identisch sind, wodurch eine beträchtliche Gewichtsersparnis erreicht wird. Bändchenmembranen sind in der Regel äusserst leicht und gehören zu den schnellsten Schallwandlern. Der extrem kleine elektrische Widerstand von lediglich wenigen Milliohm stellt jedoch für den Verstärker einen veritablen Kurzschluss dar und verlangt den Einsatz eines zusätzlichen Übertragers, der die Impedanzanpassung erbringt.

Filigrane Elektrostaten

Querschnitt durch den Stator eines Elektrostaten.
Querschnitt durch den Stator eines Elektrostaten.
Wie schon die Bezeichnung verrät, arbeitet der Elektrostat nicht mit magnetischen, sondern elektrostatischen Feldern. Hierzu wird auf der Membran, die in der Regel eine extrem geringe Masse aufweist, eine (völlig ungefährliche) Polarisationspannung von 1000 bis 5000 Volt erzeugt. Das Audio-Signal wird spannungsmässig über den Eingangsübertrager erhöht und gegenphasig auf die beiden seitlichen Statoren gelegt. Das pulsierende Tonsignal übt auf die Ladungsträger der Membran eine Kraft aus und bringt diese zum Schwingen. Der Schall wird durch die Statoren abgestrahlt - allerdings nur bis zu einer bestimmten unteren Grenzfrequenz, denn bei den als Dipolstrahler ausgelegten Elektrostaten kommt es, sobald die Schallwellenlänge die Grösse der Membran übersteigt, zum akustischen Kurzschluss im Bassbereich. Die Vorteile der massearmen Membran und des gleichmässigen Antriebs sind frappant und führen zu einem äusserst schnellen Ein-/Ausschwingen. Problematisch bei Vollbereichselektrostaten ist der teilweise stark kapazitive Impedanzverlauf, der vielen Verstärkern Mühe bereitet.

Schlanke Magnetostaten

Querschnitt durch einen Magnetostaten. Die stromdurchflossene Membran schwingt in einem starken Magnetfeld.
Querschnitt durch einen Magnetostaten. Die stromdurchflossene Membran schwingt in einem starken Magnetfeld.
Magnetosaten haben viel mit den Elektrostaten gemeinsam, nur das hier statt elektrostatischer magnetische Felder verwendet werden. Auch sie gehören zu den Dipolwandlern und strahlen beidseitig ab. Eine Kunsstofffolie wird zwischen zwei starken Festmagneten eingespannt und auf diese Membran ein Metallstreifen mäandermässig aufgedampft. Fliesst nun eine Strom durch den Metallstreifen, wird die Membran im Rhythmus der veränderten magnetischen Kräfte bewegt und Schall erzeugt. Auch Magnetostaten benötigen eine grosse Membranfläche für Tiefgang im Bassbereich. Die bekanntesten Hersteller sind Magneplanar und Eminent.

Mangerwandler

Der Manger-Wandler ist das Ergebnis einer über zwei Dekaden geführten Entwicklungsarbeit von Joseph W. Manger. Ziel war es, einen Schallwandler zu entwerfen, der die zeitgleiche Abstrahlung aller Frequenzen ermöglicht - und dies ohne die störenden Einschwingvorgänge der nach dem Masse/Feder-Prinzip arbeitenden Systeme. Gehörphysiologische Untersuchungen zeigten, dass die kurzen Impulsspitzen der Überschwinger dynamischer Lautsprecher das Gehör ermüden. Um sein Ziel, den zeitgleichen und einschwingungsfreien Wandler, zu erreichen, bedient sich Manger dem Phänomen der Biegewelle. Hierzu wird eine „biegeweiche“ Membran, deren Steifigkeit von der Mitte zu den Einspannungsrändern allmählich abnimmt, mittig angeregt. Die Biegewelle besitzt die Eigenschaft, dass ihre Fortpflanzungsgeschwindigkeit nicht linear mit der Frequenz, sondern mit der Wurzel aus der Frequenz ansteigt. Dadurch wird das angelegte Signal auf der Membran in seine Einzelspektren zerlegt, und sämtliche Frequenzanteile werden zeitgleich abgestrahlt. Dieses Verhalten ist der Physik seit längerem bekannt. Obwohl erste empirische Versuche bereits anfang der siebziger Jahre darauf hindeuteten, war aber noch nicht belegt, ob das „mangersche“ Konzept wirklich ohne jeglichen Einschwingvorgang arbeitet. Erst die theoretische Beweisführung von Dr. Manfred Heckl, Ordinarius für Akustik an der Technischen Universität Berlin, brachte 1978 die endgültige Gewissheit. Bis zur Serienreife waren jedoch eine Vielzahl von fertigungstechnischen Hürden zu überwinden. Heute kann man dem Manger-Wandler ein technisches - und auch klangliches - Niveau bescheinigen, das durchaus als revolutionär bezeichnet werden darf. Beeindruckend ist auch der äusserst breitbandige Verlauf dieses Schallwandlers von 85Hz bis über 30kHz mit einem maximalen Schalldruck von 110dB. Die Anstiegszeit beträgt nach Angaben des Herstellers 14 Mikrosekunden, was deutlich unter dem Wert von 22.7 Mikrosekunden liegt, welche die CD im gegenwärtigen 44.1kHz Standard übertragen kann.

NXT-Flatpanels – der moderne Biegewellenwandler

Oberfläche eine NXT-Panels nach einer Impulsanregung. Es entstehen ein Vielzahl kleiner Schallquellen; ähnlich wie die Wellenentwicklung beim Steinwurf ins Wasser.
Oberfläche eine NXT-Panels nach einer Impulsanregung. Es entstehen ein Vielzahl kleiner Schallquellen; ähnlich wie die Wellenentwicklung beim Steinwurf ins Wasser.
Ein Spezialfall ist der Biegewellenwandler wie er bereits in den 70er Jahren von Walsh und Echonik entwickelt wurde. Hier wird eine biegeweiche Platte mittig angeregt, und ähnlich wie bei einem Steinwurf ins Wasser breitet sich eine Wellenform aus, welche die Luft in Schwingung versetzt. Ein Abwandlung davon ist das ultramoderne NXT-Flatpanel, das von einer Tochterfirma von Mission entwickelt wurde. Das NXT-Flatpanel gehört auch zu den Biegewellenwandlern - nur werden hier verschiedene Zonen angeregt. Die Position der Schallerreger ist computerberechnet; nach einer Messung wird mit dämpfender Masse die Schallfläche computergestützt abgeglichen. Stereophone Effekte werden dadurch jedoch nicht behindert, im Gegenteil, die Stereohörzone wird wegen der Schallbündelung sogar erheblich erweitert. Damit ergibt sich eine ungeahnte Vielfalt an neuen Anwendungen wie superflache, plane Projektionsflächen, die gleichzeitig Schall abstrahlen, z.B. als an die Wand hängender, flacher Centerlautsprecher im Surroundsystem. Sprechende Hinweistafeln aus NXT-Flatpanels wie sie an der Messe Hannover bei der Expo 2000 gezeigt wurden, ermöglichen ganz neue fazinierende Anwendungen für Museen, Präsentationen und ähnliches.

Ionenwandler

Einen nahezu idealen Wandler stellt der Ionen-Lautsprecher dar, da die Luft nicht über eine in Bewegung versetzte Membran, sondern über Temperaturwechsel in Schwingung versetzt wird, wobei der gleiche Effekt wie bei der Entstehung des Donners genutzt wird. Der Ionenwandler ist praktisch massenlos und darf als nahezu idealer Schallwandler angesehen werden. Zudem macht sich eine „atmende Kugel“ auch sehr gut im Wohnraum. Abgesehen von einigen Versuchen von Magnat schaffte es noch kein Hersteller, einen Ionenwandler erfolgreich im Markt einzuführen. Die konstruktiven Probleme sind immens und nach wie vor kaum vertretbar zu lösen, so dass beim momentanen Stand der Technik der Ionenwandler noch der Zukunft vorbehalten bleibt...

Fazit

Den absolut perfekten, als singuläre Punktschallquelle agierenden Schallwandler wird es auch in naher Zukunft nicht geben. Im konstruktiven Ansatz kommt ihm der Ionenwandler am nächsten. Interessante Möglichkeiten ergeben sich mit den NXT-Flatpanels, wobei gerade der Multimediabereich von der einfachen Handhabung und den sprechenden Bildern massiv profitieren könnte. Das Gros der Lautsprecherhersteller wird aber weiterhin auf den allseits bekannten dynamischen Wandler zurückgreifen. Aus dem einfachen Grund: Sie sind preiswert herzustellen, haben einen vertretbaren Wirkungsgrad und sind erst noch sehr robust. Die Technik ist weitgehend ausgereift und sein Verhalten umfassend erforscht. Die prinzipbedingten Mängel, wie schlechtes Impulsverhalten und grosse Trägheit sind bekannt, trotzdem bildet er noch immer den praktischsten Kompromiss und lässt sich zudem sehr günstig herstellen. Audiophil veranlagte werden die „Exoten“ im Auge behalten, bieten sie doch mit viel Erfindungsgeist ausgearbeitete und inzwischen auch ausgereifte Lösungen, unter denen sich so manches klangliches Schmankerl findet.