Volumio Primo.Es «gab» bei hochklassiger Musikwiedergabe klare Regeln und Grundsätze, oder wenigstens vertraute Abhängigkeiten: Zunächst wurden HiFi-Geräte in der Regel von jeweils einem Hersteller entwickelt und hergestellt. Die Qualität der Geräte war meistens sichtbar: Es gab einen Zusammenhang zwischen Klangqualität und Fertigungsqualität. Da hohe Fertigungsqualität teuer war, kosteten hochwertige Audio-Komponenten auch entsprechend mehr.
Es «gab» natürlich immer Ausnahmen – und nicht einmal wenige. Trotzdem waren die meisten HiFi-Freaks überzeugt, für mehr Geld etwas Besseres und Nachhaltigeres zu bekommen und ihren bevorzugten Herstellern und deren Kompetenz zu vertrauen. Die zunehmende Abkehr von physischen Tonträgern und Datenträgern hin zu Download, Computer-Audio, Streaming, sprich, die Digitalisierung der Musikwiedergabe, bringt viele Veränderungen. Wenn man sich eine moderne Musikwiedergabekette funktional betrachtet, dann beinhaltet diese die folgenden Funktionen:
- Streaming
- DSP: Digitales Signal-Processing
- Digital/Analog-Wandlung
- Verstärkung
- Schallwandlung
Funktionen und Kompetenzen
Wenn man die Funktion DSP getrost als fakultativ «wegdenkt» und das enorm wichtige «Clocking» der Digital/Analog-Wandlung zuweist, dann reduziert sich die Funktion des Streamings auf Entwicklungskompetenzen, die nicht mehr mit den klassischen Entwicklungskompetenzen von Audio-Entwicklern im Einklang sind. Die Streaming-Funktion muss sicherstellen, dass Musikdaten exakt von lokalen oder Internet-basierenden Speichermedien abgeholt werden können und mit einer grafischen Nutzeroberfläche (GUI) bequem zu bedienen sind.
Diese Kompetenzen findet man bei IT-Spezialisten, und die können auch im Verbund arbeiten, brauchen also nicht von einer Firma angestellt zu sein. Sie können als Community operieren, was von Vorteil ist, denn viele Spezialisten generieren viel mehr gute Ideen, die dann orchestriert und umgesetzt werden können. Volumio.org ist eine solche Community. Das (vorläufige) Ergebnis steht nun vor uns und nennt sich Volumio Primo («The Audiophile Music Player»).
Volumio.org
Volumio war zu Beginn also kein eigentlicher Hersteller, sondern der Verbund einer Handvoll IT-Audiofreaks, dem Vernehmen nach Italiener. Vorteil: Sie hören Musik auf HiFi-Anlagen, sie verstehen HiRes-Audio und sie kriegen nach sechs Stunden Programmieren die bessere Pizza geliefert als wir ...
Mittlerweile ist es eine Community von 200'000 Mitgliedern. Nur ein kleiner Teil von ihnen wirkt aktiv mit, aber ein kleiner Teil von 200'000 sind immer noch viel mehr Leute, als sich ein einzelner Hersteller auf die Lohnliste setzen kann.
Avguide.ch-Grüner Daniel Schmid ist ein Mitglied dieser Community und liefert zuweilen Vorschläge. Ein Vorschlag, die Auszeichnung von HiRes-Audio-Qualität auf der Nutzeroberfläche, wurde tatsächlich umgesetzt. An diesem Beispiel kann man die Funktionsweise solcher Communities gut veranschaulichen.
Aus unserer Sicht sind für die perfekte Streaming-Funktion zwei Dinge ausschlaggebend: Ein OS, welches bitperfekt arbeitet, und ein GUI (Graphic User Interface), mit dem man die Musikwahl bequem und übersichtlich vornehmen kann. Beides ist eine Software-Angelegenheit, die eine taugliche Hardware erfordert. Das Gerät als solches ist nichts anderes als ein Rechner.
Mittlerweile ist Volumio.org auch Hersteller und Marke. Der Volumio Primo wurde mit White-Label-Lösungen für Audio-Hersteller wie Pro-Ject finanziert. Das zeigt auch auf, dass Audio-Hersteller im Bereich der Streaming-Funktion (und auch bei anderen Funktionen) vermehrt Kompetenz einkaufen.
Do-It-Yourself-Stallgeruch
Die Vorstellung eines audiophilen Audioplayers, der von einer IT-Community stammt, mag für viele ein wenig nach Hornbach («es gibt immer etwas zu tun») und Baumärkten im Allgemeinen klingen: Es darf gebastelt werden und nichts ist jemals fertig. Und wer nicht selbst ein IT-Nerd ist, der wird in der Anwendung niemals durchblicken.
Objektiv gesehen ist das genau der Stresstest, dem wir den Volumio Primo hier unterziehen (und vermutlich auch der Grund, warum IT-Nerd Daniel Schmid MIR die Kiste aufs Pult gelegt hat ...).
Trotz ordentlicher Optik wirkt der Primo von Volumio auf den ersten Blick nicht wahnsinnig vielversprechend.Installation und Set-up
Die Datenverbindung mit Netzwerk und Internet läuft über den Netzwerkanschluss oder die WiFi-Antenne. Von einer WiFi-Verbindung wird eher abgeraten, wenn im Haushalt zahlreiche Nutzer wohnen und aktiv sind. Die 4 USB-2.0-Ports dienen einmal als USB-Ausgang und dreimal für externe USB-Datenspeicher. Das ist grosszügig bemessen. Das Gerät verfügt nicht über internen Speicherplatz für Musik.
Der S/PDIF-Digitalausgang ist Co-Axial ausgelegt. Einen optischen Toslink gibt es nicht. Der HDMI-Ausgang ist nicht für AV, sondern für den Anschluss eines Monitors vorgesehen. Darauf erblickt man dann ergänzend zu den Apps auf den Smartgeräten das User Interface des Volumio Primo.
Von links: Ethernet-Anschluss; 4 USB-Ports für einen externen DAC und USB-Speichermedien; HDMI-Anschluss, aber nur für einen externen Monitor(!); SPDIF-Ausgang und Analogausgänge; Anschluss für die WiFi-Antenne, falls benötigt.Der Primo verfügt über einen DA-Wandler und somit auch über analoge Ausgänge. Die exakten Daten finden Sie im Steckbrief. Die Stromversorgung ist ein externes Schaltnetzteil mit 5VDC.
Die Installation geht ganz locker. Man verbindet den Primo mit dem Router oder einer Netzwerkdose und ausgangsseitig dem Audiosystem. Dann stellt man die Verbindung zum Netzteil her und wartet gemäss Betriebsanleitung fünf Minuten. Anschliessend gibt man in einem beliebigen Browser auf PC oder Smartgerät die IP-Adresse ein. Wer sich mit dem Finden von IP-Adressen nicht so auskennt, installiert am besten die FING-App und scannt damit das eigene Netzwerk mit allen Clients. Dann überträgt man die IP-Adresse des Clients «volumio» einfach in den Browser und schon ist man mit dem GUI des Volumino Primo verbunden.
Für den späteren «Musikbetrieb» installiert man aber am besten die App. Sie tut dasselbe, aber etwas besser als das Web-User-Interface. Für das erste Set-up reichts aber allemal, und ich habe auch im weiteren Betrieb damit keine Probleme gehabt.
Das initiale Set-up beinhaltet die Sprachwahl, die Wahl eines Namens (z. B. Wiedergabezone), die Wahl des Audioausgangs, die Verbindung mit dem WiFi (nur für WiFi-Betrieb des Volumio Primo erforderlich) und die Verbindung mit einem NAS (Netzwerk-Speichermedium), wenn vorhanden.
Abos
Volumino Free beinhaltet schon recht viel, aber wenn man Musik von Tidal oder Qobuz streamen will, benötigt man für den Betrieb eines Geräts das Abo «Virtuoso» für 29 EUR im Jahr. Mit dem Abo «Superstar» kann man bis zu 6 Geräte betreiben.Nun wählt man auf der Volumio-Seite ein Abo aus. Die Bezahl-Abos sind vergleichsweise kostengünstig, müssen aber jährlich erneuert werden. Es gibt auch eine Lifetime-Variante: Mein Gerät von CH-Importeur RESON kam mit einem Device Code. Damit konnte ich den Volumio für den «Lifetime Superstar Plan» upgraden.
GUI
Das grafische User Interface (GUI) des Volumio Primo ist zu meiner Überraschung sehr gut gelungen. Man legt Wert auf Bedienerfreundlichkeit und ich habe schon wesentlich unpraktischere GUIs getestet. Es ist allerdings nicht auf dem Niveau von Roon. Beispielsweise kann man mit der nativen QOBUZ-Oberfläche die teils verfügbaren PDFs der Original-Albuminformationen nicht betrachten. Die Abstriche halten sich aber in Grenzen, und künftige Verbesserungen/Erweiterungen werden dann ja mit den Updates gratis ins Haus geliefert. Anschliessend finden Sie eine Auswahl der Bedienoberflächen:
Roon
Die zutreffendste Umschreibung für den Beziehungsstatus des Volumio Primo zu Roon kann mit Facebook erklärt werden: Dort würde man den Beziehungsstatus «Es ist kompliziert» wählen. Das ist zutreffend, weil man von komplizierten Beziehungen im Regelfall nicht allzu viel erwartet. Der Standard ist nämlich Airplay, wie man aus dem Roon-Signalpfad (Abbildung unten) ersieht, und damit kann man Bit-perfect vergessen.
Es geht natürlich auch perfekt, aber das muss verdient sein. Man kann die sogenannte Roon Bridge von Roon auf dem Volumio installieren. Wie man das macht, finden Interessierte im entsprechenden Forum. Das ist in der Tat etwas «nerdig», aber solche Ausflüge waren bisher im Stresstest nicht nötig – und es bleibt auch der einzige.
Klangqualität
Der Grössenunterschied des Volumio Primo zu Roons Nucleus ist kleiner als der Preisunterschied ...Ich habe für den kurzen Hörtestest das Kii-THREE-BXT-System verwendet, wie bei anderen Streaming-Geräten auch schon. Ich konnte keine klanglichen Unterschiede zwischen dem SPDIF-Ausgang und dem USB-Ausgang feststellen. Dieser Test war wichtig, weil ich den Volumio Primo mit dem ausgezeichneten und mir vertrauten Musikserver Zenith MK3 von Innuos vergleichen wollte.
Für diesen Vergleich spielte ich dasselbe Musikmaterial vom Primo über den SPDIF-Ausgang und vom Zenith über den USB-Ausgang. So war ein echter A/B-Vergleich möglich, da ich somit Unterschiede, die vom Digitalausgang und vom Kabel verursacht würden, ausschliessen konnte.
Obwohl der gehörte Unterschied schwer auszumachen war, neigte der Volumio Primo zu etwas mehr Sanftheit, und der Zenith zu etwas mehr Spritzigkeit. Das rastete bei mir ein und ich musste mich überlisten, um objektiv zu bleiben. Ich schaltete mehrmals zwischen den Eingängen hin und her, so dass ich nicht mehr wusste, welcher Player gerade spielte. Ich kann das vom Test-Hörplatz aus auch nicht erkennen und schliesslich wollte ich mich ja überlisten.
Aufgrund des Klangeindrucks tippte ich auf den Player, den ich dahinter vermutete und schaute dann nach. Ich tippte entweder richtig oder falsch und musste die Überlistungs-Prozedur jeweils wiederholen, um von Neuem zu beginnen. Endergebnis: Ich tippte 7-mal richtig und 3-mal falsch. Hätte ich den Vergleich auf 20 Durchgänge erweitert, dann wäre das vermutlich nicht aussagekräftiger, weil die Konzentration mit der Zeit nachlässt.
Eindeutig ist das Ergebnis trotzdem nicht ausgefallen. Die Differenzen waren zu gering. Der Volumio spielt auf einem sehr hohen Niveau und kann es mit einem Kontrahenten aufnehmen, der wesentlich mehr kostet, aber auch wesentlich mehr zu bieten hat – wie zum Beispiel internes SSD-Speichervolumen, CD-Ripp am Gerät und einen Roon-Core. Diese technisch aufwändigen Funktionen, die über die Kernaufgabe eines Streaming-Geräts hinausgehen sowie die Bauweise sind entscheidend für den Preisunterschied zwischen den Geräten.
Der Volumio Primo klingt sagenhaft gut, völlig natürlich und entspannt. Damit übertrifft vor allem seine Software die Erwartungen bei Weitem und beweist zudem, dass Open-Source-Projekte hervorragende Audioquellen hervorbringen können.
Fazit
Schwer zu sagen ob «Primo» als erster Streich oder bester Streich zu verstehen ist. Die Zukunft wird es zeigen. Die Entwicklungsarbeit musste von niemandem bezahlt werden. Das Kernteam von volumio.org hat ganze Arbeit geleistet – und dies wahrscheinlich zum Quasi-Nulltarif. Erst zu einem späteren Zeitpunkt wurde um das Ergebnis herum ein käufliches Produkt und ein Geschäftsmodell gebaut. Das Beispiel wird Schule machen. Doch das Modell ist nur für die Audio-Industrie neu, denken wir nur an Linux.
Der Volumio Primo ist eine ausgezeichnete Streaming/Player-Software in einem bescheidenen Gerät mit herausragenden Klangeigenschaften und einem ordentlichen GUI mit vielen Möglichkeiten. Eine grosse Community liefert Inputs für stetige Verbesserungen. Jeder Anwender ist eingeladen mitzuwirken. Das System kann problemlos in Geräte anderer Marken integriert werden. Vielleicht heisst es irgendwann einmal «Volumio inside».

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