Nicht etwa, dass sich Poncho Sanchez auf den Lorbeeren ausruhend in den frühen Ruhestand begeben hätte; im Gegenteil: Er war mit Live-Auftritten und Touren mit seiner Band dermassen ausgebucht, dass es in den letzten sieben Jahren einfach nicht für eine Studiosession gereicht hatte.
Doch dann setzte er sich mit seinem Freund und musikalischem Direktor Francisco Torres zusammen, um sich einen langgehegten Wunsch zu erfüllen – ein Album zu Ehren von John Coltrane.
Leben als Musiker
Poncho Sanchez wurde 1951 in Laredo, TX, als jüngstes von 11 Kindern geboren. Als er vier Jahre alt war, zog die Familie nach Norwalk, einem Vorort von Los Angeles, wo Sanchez heute immer noch lebt. Das Haus war voller Musik: Seine Schwestern tanzten zu den afro-kubanischen Rhythmen von Machito und Tito Puente, während seine älteren Brüder im Radio Bebop von Charlie Parker, Dizzy Gillespie und Bud Powell hörten.
Poncho wollte selber Musik machen. Sein erstes Instrument war die Gitarre, doch seinen ersten Musik-Job erhielt er als Sänger. Nun vollständig vom Musikvirus gepackt, brachte er sich selbst Querflöte, Schlagzeug und Timbales bei, entschied sich dann jedoch für die Congas.
Nach einer längeren Durststrecke als Musiker kam 1975 der Durchbruch, als er von Cal Tjader, dem ersten (und wohl einzigen) Latin-Vibraphonisten/Perkussionisten in die Band aufgenommen wurde. Er blieb in Tjaders Band bis zu dessen Tod (1982), hatte jedoch schon in jenen Jahren seine eigene Gruppe, mit der er in Tjaders «Ferienwochen» auftrat und sogar zwei Alben produzierte. Über jene Zeit berichtet Sanchez: «Ich lernte viel von Cal, er war ein grossartiger Mensch, ein aussergewöhnlicher Lehrmeister, immer elegant und würdevoll, wenn er spielte. Für mich war er, ist er der weltbeste Vibraphonist … und wird es immer bleiben.»
Seit 1980 hat Poncho Sanchez über 25 Alben für Concord Picante, die speziell für Latin Jazz geschaffene «Untermarke» des Labels Concord, aufgenommen. Zusammen mit dem Bandleader und Radio-Moderator (KJazz) José Rizo entstanden diverse erfolgreiche Produktionen, u.. das für den Grammy nominierte Album «Mongorama». Und im Jahre 2000 war es dann soweit: Poncho Sanchez gewann den Grammy für das beste Latin-Album.
«Train's Delight»
Der Grundstein zu diesem Album sei schon gesetzt worden, als Poncho im zarten Alter von 14 Jahren seine erste LP kaufte «Coltrane» (Impuls Records). Seine Faszination und Bewunderung für John Coltrane dauert bis heute an, und so finden wir denn auch drei berühmte Coltrane-Nummern – neu in Latin-Rhythmen eingebettet – sowie diverse Stücke, die entweder eine Verbindung zu Coltrane haben oder zu seinen Ehren komponiert wurden.
Ponchos Drive, der ansteckende Salsa-Beat, ist schon in den ersten Takten von «Soul Bourgeoisie» vorhanden und führt uns durch die gesamte Produktion, egal ob Salsa, Ballade, Mambo oder «latinisierter» Bebop. Jedes der elf Stücke hat einen eigenen Charakter, erzählt eine eigene Geschichte.
Ursprünglich etwas Mühe bekundete ich mit Ponchos Gesang auf «Si Te Dicen». Doch nach mehrmaligem Anhören wurde mir bewusst, dass dies voll und ganz im Geiste der Latinsänger war und mich je länger desto mehr an die Aufnahmen erinnerte, die ich vor Jahren in der Dominikanischen Republik von einheimischen Salsabands gemacht hatte. Auch die Bläser-Arrangements waren damals ähnlich, nur sind sie auf «Train’s Delight» um Welten besser.
Überhaupt: Jeder der Musiker auf diesem Album ist eine Klasse für sich. Sämtliche Soli sind atemberaubend, überraschend, quer, neu … schlicht so gut, dass man sie mehrfach hören muss – und immer noch nicht aus dem Staunen kommt. Was zum Beispiel Andy Langham auf dem Klavier treibt, ist sowohl melodisch wie auch rhythmisch einfach «Spucke wegbleibend».
Auch die Umsetzung bekannter Stücke in eine Latin-Version überzeugt voll und ganz, wirkt überhaupt nicht erzwungen, sondern völlig natürlich. Ich war gespannt, wie ein so komplexes Stück wie «Giants Steps» völlig neu eingekleidet werden kann. Sanchez nimmt sich die Freiheit zu einer eigenen Interpretation, die diesem «Stolperstein der Jazzgeschichte» eine ungeahnte Leichtigkeit vermittelt, die ich zuvor nur im Original empfunden hatte.
Und auch ein Blues wie «Blue Train» erhält im Latinkleid neuen Schwung. Hier begeistern mich vor allem Robert Hardts Sopranosax-Solo und Ponchos Conga-Eskapaden, die dann in «Yam’mote» nochmals einen Zahn zulegen.
Fazit
«Train’s Delight» ist ein durchgestyltes, hervorragend arrangiertes Album, das jedoch den Musikern immer genügend Freiraum lässt, sich entfalten zu können, ihre Persönlichkeit in ausgedehnten Soli zu präsentieren.
Für alle Latin/Salsa-Liebhaber und alle Jazzfans, die offen sind für Neues respektive Abgeändertes, ist dieses neuste Album des inzwischen 67-jährigen Conga-Meisters uneingeschränkt empfehlenswert. Wer sich von der Spielfreude und den heissen Rhythmen nicht anstecken lässt, ist selber schuld.