MUSIKREZENSION
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Publikationsdatum
9. Juni 2021
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Der im Oktober 1961 fertiggestellte Film des Musicals «West Side Story» war ein Grosserfolg. Er heimste zehn Oscars ein und bleibt bis heute auch finanziell eine der erfolgreichsten Musicalverfilmungen. So erfolgreich, dass Steven Spielberg mit einer neuen Version das diesjährige Weihnachtsgeschäft beleben will – man darf gespannt sein.

Neben der zeitlosen Liebesgeschichte (in Anlehnung an Shakespeares «Romeo und Julia») sind es vor allem die Lieder, die zum Erfolg beitrugen und in x Versionen interpretiert wurden. So auch vom Oscar Peterson Trio, das nur zwei Monate nach der Filmpremiere, im Januar 1962, seine Versionen von sechs Songs im Studio aufzeichnete.

Oscar Peterson

Oscar Emmanuel Peterson (1925–2007) gilt als einer der grössten Jazzpianisten überhaupt. Er hat in seiner über 60 Jahre andauernden Karriere mehr als 200 Alben veröffentlicht, sieben Grammys gewonnen und weltweit tausende von Konzertauftritten absolviert.

Peterson kam 1925 in Montreal, Quebec, zur Welt. Sein Vater, von Beruf Gepäckträger für die Canadian Pacific Railway, war ein begeisterter Amateurmusiker und spielte Trompete und Klavier, was Oscar schon mit fünf ermutigte, diese Instrumente selbst zu erlernen. Wegen Tuberkulose musste er die Trompete bald aufgeben und konzentrierte sich aufs Klavier. Sein Vater war sein erster Musiklehrer und seine ältere Schwester Daisy unterrichtete ihn danach in klassischem Klavier.

Peterson übte Tonleitern und Etüden bis zu sechs Stunden am Tag. Mit neun beeindruckte er bereits gestandene Berufsmusiker mit seiner Technik und seiner Musikalität. So erstaunte es niemanden, dass er mit 14 Jahren den von der CBC organisierten nationalen Musikwettbewerb gewann.

Kurz darauf verliess er die Schule, um Berufsmusiker zu werden. Seine Vorbilder waren Teddy Wilson und Nat King Cole – und natürlich bewunderte er Art Tatum. Von 1945–49 machte er seine ersten Trio-Aufnahmen für Victor Records und hatte seine regelmässige Rundfunkshow … die eines Tages auch von Norman Granz gehört wurde. Dieser engagierte Peterson auf der Stelle und integrierte ihn in seine Jazz-at-the-Philharmonic-Gruppe, die in den folgenden zwei Jahren durch die USA tourte.

1952 begann die lange andauernde Zusammenarbeit mit Ray Brown (b). Zuerst ergänzte Barney Kessel (g) das Trio, dann bis 1958 der Gitarrist Herb Ellis. Musikalisch mitreissend sind die Konzertmitschnitte «At The Stratford Shakespearean Festival» von 1956 und «At The Concertgebouw» von 1957. Da 1958 kein Gitarrenersatz für Herb Ellis zu finden war, entschied sich Peterson für den Schlagzeuger Ed Thigpen. Dieses Trio bestand bis 1965 und nahm – neben «West Side Story» – Alben wie «Night Train» und «We Get Requests» auf, die noch heute zu den speziell erwähnenswerten Audio-Konserven gehören.

Peterson und Brown waren in 50er- und 60er-Jahren die Begleiter unzähliger Jazzgrössen: Von Ella Fitzgerald über Billie Holiday bis zu Carmen McRae, von Charlie Parker bis Stan Getz, von Clark Terry bis Freddie Hubbard. Aus allen holte das Begleit-Duo Peterson-Brown (zusammen mit Herb Ellis und/oder unterschiedlichen Schlagzeugern) das beste heraus. Meine Tipps für Aufnahmen aus jener Epoche: «Stan Getz and the Oscar Peterson Trio» (1958) und die Kompilation von Lionel Hampton «The Complete Quartets & Quintets With Oscar Peterson».

Als gegen Mitte der 70er-Jahre Ray Brown eigene Wege ging, entstand ein neues Trio, sozusagen eine moderne Version des Brown-Ellis-Trios: Mit Joe Pass, Gitarre, und Niels-Henning Ørsted Pedersen, Bass, feierte Peterson erneute Erfolge: Das Album «The Trio» wurde 1974 mit einem Grammy ausgezeichnet. Kurz darauf erweiterte Peterson dieses Trio mit dem britischen Drummer Martin Drew zum Quartett.

Ed Thigpen, Ray Brown und Oscar Peterson.Ed Thigpen, Ray Brown und Oscar Peterson.

Schon seit seiner Jugend hatte Peterson gesundheitliche Probleme. Auch konnte er sein Gewicht nie unter Kontrolle bringen. 1990 musste er eine Hüfte ersetzen lassen; die OP war zwar erfolgreich, doch seine Bewegungsfreiheit weiterhin eingeschränkt.

1993 erlitt er einen Schlaganfall, der seine linke Seite teilweise lähmte, so dass er während zweier Jahre gar nicht spielen konnte und danach nie wieder zu seiner vollen Form zurückkehrte. Ein Freund und Fan meinte zwar: «Ein einhändiger Oscar ist immer noch besser als die meisten zweihändigen Pianisten.»

Nach 2003 nahm er noch einen Anlauf mit «A Night in Vienna» und in paar wenigen Konzerten in Europa und den USA, doch Anfang 2007 musste er alle Verpflichtungen absagen. Im Dezember 2007 verstarb Oscar Peterson in seinem Heim in Kanada an einem Nierenversagen 82-jährig.

«West Side Story»

Oscar Peterson, Ray Brown und Ed Thigpen interpretieren ihre Versionen der sechs beliebtesten Melodien des Musicals: «Something’s coming» übernimmt zu Beginn die Spannung, die am Anfang des Films aufgebaut wird, schwenkt danach in swingenden Jazz ein, jedoch immer die Stimmung beibehaltend.

In «Somewhere» übernimmt zuerst Ray Brown die Melodie mit dem Bogen, wird jedoch dann von überragenden Klavierklängen abgelöst, die in die erst dezente, dann fulminante 3/4-Takt-Variation münden.

Auch in «Jet Song» gelingt es dem Trio, die Filmstimmung in swingenden Jazz zu übertragen. Und neben Peterson steuert hier auch Ray Brown ein ausgiebiges Solo bei.

Das Trio schlägt in «Tonight» schon zu Beginn wesentlich jazzigere Töne an als das positiv-romantische Musical-Lied erwarten liesse … ein richtiger Peterson-Knaller.

«Maria» startet als Rumba mit harmonisch interessanten Umwegen, um dann doch in Swing zu münden … und wieder im Rumba zu enden.

«I Feel Pretty» ist mein Favorit: Er übernimmt die positive Stimmung des Originals, hat rhythmische Überraschungen bereit, wie etwa die Bridge im 3/4-Takt und gibt Peterson genügend Freiraum für seine feuerwerkartigen Ausbrüche.

In der «Reprise» werden alle Stücke nochmals zu einer Art Potpourri zusammengefasst. Ein Füller?

Es ist ja eigentlich ausschliesslich Oscar Peterson, der diese Aufnahme ausmacht. Natürlich wird er hervorragend unterstützt von Ray Brown und Ed Thigpen, doch diese kommen selbst kaum «zu Wort». Ray Browns gestrichene «Somewhere»-Melodie ist nicht besonders überzeugend, seine übrige Arbeit aber schon. Und Ed Thigpen ist die treibende Kraft im Hintergrund, diskret, exakt, unterstützend.

Fazit

Es ist nicht das beste der über 200 Alben, die Oscar Peterson aufgenommen hat. Und doch: Wer die «West Side Story» im Original (Film) kennt und Jazz liebt, wird jedes Mal erneut Petersons harmonische und rhythmische Variationen sowie seine technischen Eskapaden bewundern.

STECKBRIEF
Interpret:
Oscar Peterson Trio
Besetzung:
Oscar Peterson, p
Ray Brown, b
Ed Thigpen, dm
Albumtitel:
West Side Story
Komponist:
Leonard Bernstein
Herkunft:
USA
Label:
Verve
Erscheinungsdatum:
1962/2015
Spieldauer:
35:10
Tonformat:
FLAC 24-Bit 192.0 kHz – Stereo
Medium:
Download/Streaming
Musikwertung:
8
Klangwertung:
8
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