Gerade mal 39 Jahre alt war Ella Fitzgerald, als dieses Konzert aufgezeichnet wurde. Für viele ihrer Bewunderer befand sie sich auf einem ersten Höhepunkt ihrer noch lange andauernden Karriere: Sie war bereits erfolgreich genug, um ein gesundes Selbstbewusstsein zu präsentieren, und ihre Stimme schien grenzenlos flexibel.
Im selben Jahr hatte sie schon ihre erste LP mit Louis Armstrong «Ella and Louis» sowie «Ella sings the Cole Porter Song Book» aufgenommen.
At Zardie’s
Während sieben Jahren (von 1950 bis 1957) war Zardie’s Jazzland am Hollywood Boulevard in Los Angeles DER In-Club. Viele Jazzgrössen hatten Konzerte bei Zardie’s aufgezeichnet, u. a. Oscar Peterson, Sarah Vaughan und Cal Tjader.
Da es immer viel Prominenz an den Zardie’s-Konzerten gab, und die kleine Bühne von Publikumstischchen umsäumt war, entstand jeweils eine beinahe familiäre Stimmung, die auf der vorliegenden Aufnahme besonders gut hörbar ist. Ella erfüllt Wünsche der Gäste – und es erstaunt mich, wie problemlos die Begleitmusiker damit umgehen können: Nicht nur scheinen sie alle Stücke zu kennen (es gibt keine «Moment, ich muss erst noch die Noten suchen»-Pausen), auch Ellas bevorzugte Tonarten sind ihnen geläufig.
Die lockere Stimmung auf «Ella at Zardie’s» ist einmalig! Natürlich spricht Ella auch in Berlin («Ella in Berlin – Mack the Knife») zum Publikum, doch der einseitige «Dialog» in der Deutschlandhalle mit der hohen Bühne ist nicht vergleichbar mit dem «Heimspiel» in Los Angeles, wo sie diverse Anwesende persönlich kannte.
Witzig und locker
Auf keiner anderen mir bekannten Live-Aufnahme von Ella Fitzgerald kommen der Witz und die Nähe zum Publikum dermassen gut zum Zug wie bei «Zardie’s». Möglicherweise wurden Textteile bei anderen Alben gekürzt – ich weiss es nicht. Jedenfalls trägt diese Interaktion mit dem Publikum viel zum Charme dieses aussergewöhnlichen Zeitdokuments bei.
In 21 Stücken – in über einer Stunde Konzert – präsentiert sich Ella von ihrer besten Seite. Sie singt Balladen und scat-reiche Uptempo-Stücke, imitiert in «I Can’t Give You Anything but Love» Rose Murphy und Louis Armstrong. Und wenn sie am Schluss der Aufnahme erneut ankündigt: «We’ll be back in a few minutes», wartet man vergeblich auf eine Fortsetzung. Dabei hätte ich problemlos noch eine weitere Stunde zuhören können.
Das Begleit-Trio
Die drei Musiker, die Ella bei diesem Auftritt begleiten, kommen solistisch nie zum Zug, machen ihren Job im Hintergrund jedoch ohne Fehl und Tadel und swingen, dass es eine Freude ist.
Wenn ich jedoch den direkten Vergleich zu Begleitpianisten wie Paul Smith (Ella in Berlin, 1960), Lou Levy (Ella in Hollywood, 1961) oder Tommy Flanagan (Ella in Hamburg, 1965) machen darf, fehlt mir bei Don Abney der Spielwitz, die überbordende Spielfreude. Nach wie vor bin ich jedoch begeistert von der flinken Anpassungsfähigkeit der drei Musiker, ihrer geschmackvoll zurückhaltenden Unterstützung der Balladen und ihrer mitreissend-swingenden Begleitung der Uptempo-Stücke.
Fazit
«Ella at Zardie’s» ist ein Feel-good-Album – eines, das nicht nur die unglaublichen gesangstechnischen und musikalischen Qualitäten von Ella Fitzgerald aufzeigt, sondern das zusätzlich (und bei jedem Anhören erneut) ein glückliches Lächeln auf mein Gesicht zaubert.
Sicher gab und gibt es ab und zu gesangliche Ausnahmetalente, doch Ella bleibt einmalig – und diese Aufnahme ist ein weiterer Beweis dafür.