Wenn sich mein momentaner Lieblingssaxofonist und mein langjähriger Lieblingsdrummer in meinem bevorzugten Jazzlokal in meiner Heimatstadt ein erstes (und wahrscheinlich einmaliges) Stelldichein geben, geschieht Magie!
Zwar ist das «Live» im Titel leicht irreführend, denn obgleich Marians Jazzroom ein Live-Jazz-Lokal ist, wurde die Aufnahme in Abwesenheit von Publikum gemacht, dafür in «alter Manier»: Es wird einfach zusammen gespielt. Nichts wurde nachträglich eingebaut, korrigiert, verändert. Und so klingt denn auch jede Passage, jeder Ton, jeder rhythmische Akzent echt, berührt und reisst mit. Das ganze Album wurde in einer einzigen Session in weniger als acht Stunden eingespielt.
Gewiss: Es wird nichts umwerfend Neues kreiert: Die Stückwahl besteht grösstenteils aus bekannten Songbook-Nummern, die Arrangements beschränken sich auf wenige, wahrscheinlich kurz vor den Aufnahmen besprochene Abmachungen. Doch es ist die Spielfreude, die Unverkrampftheit, dieses gegenseitige Anspornen zu Höchstleistungen, wie es eben nur im improvisierten Jazz möglich ist, die beim Zuhörer (oder zumindest bei mir) ein glückliches Schmunzeln verbunden mit rhythmischen Bewegungen auslöst.
Das Jeff Hamilton Trio (Tamir Hendelman, Piano; Christof Luty, Bass und Jeff Hamilton, Drums) sind ein dermassen gut eingespieltes Team, dass sie Scott Hamilton auf seinem Tenorsax jubeln lassen.
Und falls dieses aussergewöhnliche Album in Ihrem Plattenladen nicht vorrätig ist … es ist als Download u.a. bei Qobuz erhältlich.
Scott Hamilton
Mit Jahrgang 1954 hatte Scott bei diesen Aufnahmen schon unzählige Jahre Jazzerfahrungen mit den Grössten dieser Musik hinter sich. Auch gilt er als einer der «fleissigsten» und offensten Musiker, was dazu führte, dass es eben auch Aufnahmen von ihm gibt, bei denen die Chemie zwischen den Musikern nicht so perfekt stimmt wie hier, oder die Aufnahmequalität zu wünschen übrig lässt.
Was mich vor allem fasziniert, ist Scott Hamiltons Fantasie, seine fliessende, musikalisch logische und doch innovative Improvisation. Und er lässt sich von seinen Mitmusikern anstecken, hört zu, übernimmt, schöpft aus seinem unermesslichen Erfahrungstopf und gibt die Begeisterung zurück.
Jeff Hamilton
Auch Jeff kann auf eine lange, erfolgreiche Karriere zurückblicken. Zu seinen Erfolgen gehören unter vielen die Mitwirkung im Monty Alexander Trio (Montreux-Alexander-Rezension), die Zusammenarbeit mit John Clayton im Clayton Hamilton Orchestra und viele Tourneen und Aufnahmen mit Diana Krall (Hörtipp «Live in Paris»).
Was mir an Jeff Hamilton besonders imponiert, ist seine subtile, musikalische Behandlung des Schlagzeugs: Ob mit Besen oder Stöcken, in Soli oder bei der Begleitung, alles wirkt organisch fliessend und ist nie aufdringlich.
Sein langjähriges Trio, mit den hervorragenden Musikern Tamir Hendelman und Christof Luty, hat in den letzten Jahren viele Erfolge feiern dürfen und auch mit diversen Gastmusikern Konzerte und Aufnahmen bestritten.
Aufnahmequalität
Wie mir Tom Capri von Capri Records (mit Bedauern) auf Anfrage mitteilte, wurde das Album «nur» in 24 bit 48 kHz aufgezeichnet und in 16-bit-CD-Qualität veröffentlicht, was bedeutet, dass es offiziell keine HiRes-Aufnahme ist. Die musikalische Qualität, die Ausgewogenheit der Mischung sowie Klang und Balance der Instrumente ist (in meinen Ohren) jedoch so gut, dass ich «Hamilton & Hamilton live in Bern» auch klanglich die Höchstnote verabreichen will. Die grösste Digitalauflösung muss nicht gezwungenermassen «beste Audioqualität» bedeuten.
Deshalb
Mainstream-Jazz ist gradlinig, echt und mitreissend. Wer sogenannten Kunstjazz sucht, liegt hier falsch. Doch alle andern können sich an einem sowohl musikalisch als auch klanglich aussergewöhnlichen, swingenden, herzerwärmenden und Verkrampfungen lösenden Album erfreuen.