Verstärker-Revolution?
Test: Technics SU-R1000 Verstärker-Referenz
Eine Revolution? Will das jemand? Und wer will das schon in der Welt der Audiophilen, wo man fast alles glaubt, was erzählt wird, wenn es um Klangverbesserungen geht? Eine Welt, in der sich niemand scheut, alte Zöpfe oder wundersame Alchemie zu Tage zu fördern. So auch bei Verstärkern. Technics schrieb sich beim neuen Vollverstärker SU-R1000 trotzdem eine Revolution im Verstärkerbau ins White Paper – und jetzt, wo das Gerät auf den Markt kommt, natürlich auch in die Verkaufspräsentation. Mag ja sein, dass wir keine Revolution wollen, aber ausgeschlossen ist sie nicht.
Der SU-R1000 ist ein mächtiger Amp der Gattung Vollverstärker. Er fährt neu als Verstärker-Flaggschiff der Reference Class von Technics aus dem Hafen. Zusammen mit dem besten Plattenspieler, den Technics je gebaut hat: dem SL-1000R. Man würde vielleicht an dieser «Referenz-Position» eine Vorstufe und eine Endstufe erwarten, das ist beim Thema Referenz so üblich. Aber nein: Technics erkannte wohl, dass es in dem Gehäuse genügend Platz hat, alles Wichtige unterzubringen und dass es weder zusätzlichen Signalweg noch Redundanzen wie Stromversorgungen oder Gehäuse braucht.
Der neue SU-R1000 ist ein durchgehend digital arbeitender Vollverstärker und in seiner Auslegung extrem kompromisslos. Auch die Musik analoger Quellen wird ausnahmslos digital verarbeitet. Besonderes Augenmerk verdient der integrierte Phono-Vorverstärker, den man auf die Eigenschaften von drei verschiedenen Tonabnehmern kalibrieren kann, der sieben verschiedene Entzerrungen zulässt und der sogar das Übersprechen L/R und R/L neutralisieren kann. Der SU-R1000 passt sich zudem wie ein Chamäleon dem Impedanzverhalten der verwendeten Lautsprecher an und leistet mit 2 x 300 Watt RMS (4 Ohm) und enormen Stromreserven ohnehin genug für die meisten passiven Lautsprecher. Er kostet 8490 CHF.

Die meisten Hersteller sind immer noch der Meinung, dass man die Musikdaten digitaler Quellen so schnell und so perfekt wie möglich in ein analoges Signal umwandeln sollte, um dieses dann gleich wie die analogen Signale der analogen Quellen zu verarbeiten und zu verstärken. Dieses «analoge Weltbild» bekommt aber zunehmend Konkurrenz, weil digitale Signale – oder eben Daten – verlustlos von A nach B transportiert werden können. Und man kann sie auch verlustlos beeinflussen – wo dies sinnvoll ist und wenn man es sorgfältig macht. Darum gehen immer mehr Hersteller dazu über, alle Musiksignale – ob analog oder digital – sofort zu digitalisieren und damit auch digital zu vereinheitlichen. Diese digitalen Vorverstärker-Plattformen werden immer mehr, aber viele Musikhörer nehmen noch nicht einmal Notiz davon.
Der SU-R1000 ist eine konsequente Weiterentwicklung der heute weitgehend digitalen Audio-Verstärker von Technics, um den Platzhalter in ihrer Referenzklasse auszufüllen. Der Verstärker ist bei Technics für lange Zeit als «DER Verstärker» zu verstehen.
JENO Engine
Gemäss Technics sind die meisten positiven Befunde der internationalen Fachmedien auf die Funktionseinheit der JENO-Engine zurückzuführen. JENO bedeutet: Jitter Elimination and Noise-Shaping Optimisation. Die JENO Engine ist zwischen dem DSP und der Class-D-Endstufe angeordnet und «eliminiert» im Wesentlichen Jitter oder Taktzittern oder Schwankungen der Taktabstände.
Technics macht das schon länger und hat in dieser «Lesung» einige Nachteile wie z. B. ein leichtes Defizit an Soundenergie ausgemerzt. JENO generiert ja eine Pulsweiten-Modulation und unterzieht den Datenstrom einer 1-Bit-Wandlung. Damit wird die Class-D-Endstufe direkt digital angesteuert. Bei PWM muss man den Begriff «digital» allerdings immer relativieren, weil es eine lineare Angelegenheit ist und ohne Quantisierung auskommt.
Neue GaN-FET-Treiber
Als Treiber werden in den Class-D-Schaltverstärkern neue FET-Typen aus dem Halbleitermaterial Gallium-Nitrid (GaN) eingesetzt. Im Unterschied zu den in dieser Treiberfunktion sehr verbreiteten MOSFET-Typen arbeiten die GaN FET steilflankiger und damit präziser. Die Wellenform – ein ideales Rechteck ist ja nur Theorie – nähert sich dem Ideal besser an.
Da passive Lautsprecher allerdings eine elektromotorische Gegenkraft erzeugen können – also ähnlich wie Generatoren im «falschen Moment» immer ein wenig Strom produzieren – und diesen Stromfluss (durch die Frequenzweiche nachgewürzt und verschlimmert) in die Endstufe zurückleiten, entstehen Verzerrungen, gegen die beim SU-R1000 etwas getan wird.
Technologie zur aktiven Verzerrungs-Eliminierung (ADCT)
ADCT ist eine digitale Gegenkopplung. Das analoge Nutzsignal der Lautsprecher inklusive aller verzerrungsrelevanten Störanteile wird digitalisiert und mit dem 1-Bit-Datenstrom eingangs der Class-D-Endstufe verglichen. Die Differenz entspricht den von den Lautsprechern generierten Verzerrungen in digitaler Sprache. Diese Daten werden dann dem Delta/Sigma-Modulator der JENO-Engine zugeführt und auf diese Weise herausgefiltert bzw. kompensiert.
Last-adaptive Phasenkalibrierung LAPC
Diese bewährte Funktion ermöglicht das Einmessen der Lautsprecher. Der Verstärker misst mit einigen (zum Teil lauten) Kalibriersignalen das Impedanzverhalten und das Phasenverhalten der Lautsprecher. Der Verstärker kann mit LAPC zu einem lineareren Frequenzgang und einem korrekten Phasenverhalten der Lautsprecher beitragen. Das wiederum resultiert in der Regel in einer räumlich präzisen, der Aufnahme entsprechenden Abbildung des Klanggeschehens. Die Anwendung ist simpel und unabhängig von Aufstellung oder Akustik. Man betätigt auf der Fernbedienung die LAPC-Taste, hält sich einen Moment die Ohren zu, und das wars dann.
Stromversorgung
Technics hat sich im Bereich der Stromversorgungen einiges einfallen lassen. Das «Advanced Speed Silent Power Supply» ist ein neues Schaltnetzteil mit massiv verringerter Restwelligkeit, weitab des Audio-Spektrums und einer Rauscharmut, die die hochgelobten, analogen Linear-Netzteile in den Schatten stellen soll.
Ferner gibt es zwei Netzteil-Sektionen: einmal für die Versorgung analoger Verbraucher und separat für die Versorgung der digitalen Verbraucher (gemeint sind interne Verbraucher). Die Netzteilsektionen sind zudem auch noch kanalgetrennt, also auf die Stereokanäle aufgeteilt.

Phono-Perfektion
Aus meiner Sicht stellt Technics mit dem SL-1000R bzw. dem SP-10R-Laufwerk den messtechnisch besten Plattenspieler der Welt her. Es kommt nicht überraschend, dass der SU-R1000 eine Phono-Verstärkerstufe bekam, die dem SL-1000R würdig ist. Es überrascht eher, dass Technics dafür kein separates Gerät (für ein paar Tausender zusätzlich) baut und so dem Kunden Zusatzinvestitionen erspart. Ich bin immer wieder überrascht, wie sich diese coolen Technics-Japaner über ungeschriebene Gesetze hinwegsetzen.

Die im SU-R1000 integrierte Phono-Vorstufe verfügt über einen sogenannten Hybrid EQ, eine Verbindung von analoger Signalverstärkung/Entzerrung und digitaler Entzerrung. Zwischen den beiden Entzerrungs-Typen findet eine A/D-Wandlung statt. Die Filter, die zur Anwendung kommen, sind immer eine Kombination von digitalen und analogen Filtern. Eine stattliche Anzahl verschiedener Entzerrungen, wie sie von der Schallplattenindustrie über Jahrzehnte verwendet worden sind, können gewählt werden. Das sind: RIAA, IEC, Columbia, Decca/FFRR (Full Frequency Range Recordings), AES, NAB (für 78 Shellack) und RCA.
Seit Ende der 1950er-Jahre gilt die RIAA-Entzerrung (Recording Industry Association of America) als Standard. Das war jedoch bis in die 1970er-Jahre Wunschdenken der RIIA. Viele Schallplattenhersteller, v. a. ausserhalb der USA, hielten sich nicht oder nur teilweise an die RIAA-Entzerrung. Für Schallplattensammler oder Liebhaber, die auch alte Schallplatten aufstöbern und nicht nur Neupressungen kaufen, sind wählbare Entzerrungen eine wunderbare Möglichkeit, die Wiedergabequalität alter Vinyl-Pressungen zu optimieren.
Automatische Einmessung von bis zu 3 Tonabnehmern
Der SU-R1000 kommt mit einer Messschallplatte. Sie dient der präzisen Einmessung des Verstärkers auf bis zu drei Tonabnehmern. Dieser Response Optimizer ist die klassische Anpassung der Abschlussimpedanz und Kapazität des Tonabnehmers plus des Tonarmkabels. Letzteres hat ebenfalls einen Einfluss. Normalerweise nimmt man diese Anpassung bei Phono-Vorverstärkern von Hand mittels Mikro-Kippschaltern o. ä. und damit geschalteten Filtern vor. Beim SU-R1000 geschieht das in einem Einmessvorgang mit der Testschallplatte automatisch. Das Resultat ist eine hohe Linearität und exakte Phasengänge. Bis zu drei verschiedene Tonabnehmer/Tonarme/Plattenspieler können eingemessen und abgespeichert werden.
Der Crosstalk Canceller trägt dazu bei, das Vinyl-typische Problem des Übersprechens vom linken zum rechten Stereokanal und umgekehrt zu korrigieren. Dieses Übersprechen entsteht beim Schneiden der Lackfolie durch den Lathe (Schneidstichel) und wird durch die Abtastung mit der «Nadel» je nach Schliff und Konstruktion des Tonabnehmers in der Regel noch ein wenig verübelt. Wenn aktiviert, vermindert der automatische Crosstalk Canceller die zum Teil hörbaren Effekte des Übersprechens. Die Funktion kann einfach zu- oder abgeschaltet werden und bedarf keiner Einmessung.

Auch die Anhänger von Bandmaschinen dürften auf ihre Rechnung kommen. Der SU-R1000 verfügt über einen Recording-Input und -Output. Damit ist die klassische Hinterbandkontrolle bei Bandaufnahmen möglich. Meines Wissens sind Bandaufnahmen heute zwar eher selten, da man sich fixfertigen Masterbandkopien oder Ähnlichem bedient.
Konventionelle, gute Fernbedienung
Die klassische IR-Fernbedienung des SU-R1000 ist eine umfassende und seriöse Angelegenheit. Viele Hersteller favorisieren heute Apps für die Bedienung. Daran ist nichts zu bemängeln. Für diese Anwendung ist die klassische Variante jedoch vorteilhaft, auch weil einige Befehle direkt am Gerät nicht möglich sind. Als Systemfernbedienung ausgelegt, sind etwa 60 Prozent der Tasten für die Funktionen des Verstärkers bestimmt. Der Rest dient der Fernbedienung weiterer Geräte von Technics. Positiv ist, das viele Funktionen direkt angewählt werden können, zum Beispiel die Direktwahl der Eingänge oder der Phono-Entzerrungen. Auch der LAPC-Kalibriervorgang kann mit einer Taste gestartet werden, ohne «Gezappe» durch die Menüs.

Teststrecke
Als digitale Quelle diente der ZENith-Musikserver von Innuos zusammen mit der Phoenix-USB-Re-Clocking-Einheit desselben Herstellers. Netzwerkseitig kam der Bonn-N8-Ethernet-Switch von Silent Angel zum Einsatz. Als Server- und Informations-Oberfläche kam Roon zum Einsatz, wobei der Core direkt im Musikserver angelegt ist. Das ist bei vielen Musikservern/Streamern nicht möglich und hier ein Vorteil. Die Musikdaten wurden via USB zum SU-R1000 transportiert.


Als analoge Quelle kam – ein wenig experimentell – ein alter EMT-Studioplattenspieler zum Einsatz. Mit dem EMT konnte ich ohne Probleme verschiedene Tonabnehmer verwenden. Die EMT-Tondosen, wie man sie nennt, sind exakt baugleich. Man muss sie wirklich nur tauschen und braucht weder die Auflagekraft noch sonst irgend etwas einzustellen. Damit sollte die Kalibrierung der Phono-Vorstufe auf drei Moving-Coil-Tonabnehmer getestet werden.
Eindrückliche Darbietung
Die Lastadaptive Phasenkalibrierung LAPC des SU-R1000 mit den Sopra Nr.1 von Focal dauerte etwa 30 Sekunden mit einigen, teils lauten, aber auch leisen Testsignalen unterschiedlicher Ausprägung und von beiden Kanälen. Das Ergebnis war verblüffend und der Vergleich mit/ohne LAPC kann auf Tastendruck immer wieder gemacht werden. Die Klangbühne wirkte als Szenerie um einiges aufgeräumter. Das ist zwar ein subtiler Unterschied, aber er trug nicht unwesentlich zur Entspannung bei.
Auch die Kalibrierung des Verstärkers auf drei unterschiedliche Tonabnehmer ging mit der Mess-Schallplatte völlig problemlos vonstatten. Ich wiederholte den Vorgang mit drei Tonabnehmern und speicherte die Daten entsprechend ab. Die Transparenz und Auflösung erschien mir ganz ausgezeichnet. Die mir bekannten Tonabnehmer schienen klanglich zugelegt zu haben, obgleich man sich das vielleicht auch einbilden kann. Mit einigen DECCA-Schallplatten konnte ich die entsprechende Entzerrung testen. In der Regel höre ich die alten DECCA-Aufnahmen mit RIAA. Mit der DECCA-FFRR-Entzerrung kam die Musik richtiggehend entschlackt herüber und bestärkte mich einmal mehr in meiner Vermutung, dass dieser etwas verherrlichte «DECCA-Sound» auf die falsche Entzerrung bei der Wiedergabe zurückzuführen ist.
Insgesamt besticht der SU-R1000 durch eine überwältigende Transparenz mit einem als extrem natürlich wahrgenommenen Detailreichtum und einer so flüssigen und ungeheuer schnellen Dynamik, dass man sich die Frage stellen muss, ob es denn einen Klangcharakter auf der Wiedergabeseite überhaupt braucht. Viele schwatzen ja von nichts anderem – und ob das Zusammenspiel von Verstärker und Lautsprecher wirklich durch die sorgfältige «Partnerwahl» herbeigeführt werden muss, so wie es die Fachleute gerne predigen. Ich werde das Gefühl nicht los, dass der SU-R1000 praktisch mit jedem Lautsprecher harmonieren kann. Man braucht nur diese LAPC-Taste zu betätigen.
Was man beim SU-R1000 nicht geboten bekommt, sind instrumentale Eigenklang-Eigenschaften, Klangfärbungen mit buntem Anstrich oder warmem Charakter und dergleichen. Das kann man getrost der Musikaufnahme überlassen, um die es ja eigentlich geht.

Test-Fazit
Der SU-R1000 von Technics ist in jeder Beziehung – und auch in jeder «Lautsprecher-Beziehung» – ein überwältigender Vollverstärker. Nach meiner Einschätzung braucht er weit herum keinen Vergleich zu scheuen und dürfte mit den meisten Lautsprechern dank LAPC extrem gut harmonieren.
Die Konsequenz der digitalen Signalverarbeitung und die hörbare Wirkung der verbesserten JENO-Engine machen den SU-R1000 zu einem New-Generation-Referenzgerät. Er ist ein Highend-Audioverstärker, der auch technologisch eine neue Zeit einläutet oder zumindest zu denen gehört, die das gerade tun.
Alleine schon das überraschende Technologiekonzept des Phono-Vorverstärkers macht eigentlich sprachlos: Wo hat man so etwas schon gesehen? Und wenn es so etwas geben sollte, dann kaum in einem Vollverstärker integriert und bereit für den perfekten Genuss von Vinyl, ohne zusätzliche Investition.
Ganz cool!
Enorm transparentes und neutrales Klangbild
Geniale Phono-Vorstufe
MQA-Decoder
File-Formate bis 32 Bit / 384 kHz
Perfekte Verarbeitung
Onlinelink:
https://avguide.ch/testbericht/test-technics-su-r1000-verstaerker-referenz-verstaerker-revolution