High End München 2022
Das Comeback der Mutter aller High-End-Shows
Die High End München ist bereits Geschichte. Lange herbeigesehnt, fand die Mutter aller High-End-Messen endlich wieder vom 19. bis 22. Mai 2022 im MOC München statt. Die ersten zwei Tage waren für die Fachhandels- und Pressebesucher reserviert, Samstag und Sonntag war die Messe auch für das breite Publikum offen.
Die High End 2022 in Zahlen:
- 550 Ausstellende aus 40 Ländern
- 1500 Marken
- 9500 Fachbesucher aus 80 Ländern
- 10'000 Publikumsbesucher aus 69 Ländern
- 400 Medienvertreter aus 36 Ländern
Die beiden allgemeinen Messetage Samstag und Sonntag waren komplett ausverkauft.
Die Pressekonferenz zur High End 2022
Die Pressekonferenz fand am Eröffnungstag statt. Der Vorstandsvorsitzende der Highendsociety, Jürgen Timm, eröffnete nach zwei Jahren Pause um 11.15 Uhr offiziell die 38. High End – mit sichtlich grosser Erleichterung, Freude und Stolz. Jürgen Timm begrüsste die Presse nach zwei Jahren Pause und freute sich auf motivierte Aussteller, volle Hallen und Besucher ohne Ende.
Er resümierte die vergangen zweieinhalb Jahre und ging auf die Herausforderungen der High-End-Branche in dieser Zeit ein, nämlich unterbrochene Lieferketten, Probleme bei der Beschaffung von Rohstoffen und Elektronikbauteilen mit den damit verbundenen Lieferschwierigkeiten. Aber auch die gestiegene Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Musikanlagen mussten bewältigt werden. Er wies auf die Innovationen der High-End-Industrie im analogen und digitalen Bereich und nannte Streaming als den wichtigsten Teil der Musikindustrie.
Alan Parsons, der Markenbotschafter
Das Highlight der PK 2022 war neben dem eigentlichen Messe-Comeback aber Alan Parsons, der offizieller Marken-Botschafter der High End 2022 war. Um etwa 11.30 Uhr wurde dann der Buben- und Mädchentraum vieler älterer Presseleute wahr: Alan Parsons trat in Person auf das Podium und begann seine Ansprache zum Thema hochwertige Musikwiedergabe, what else!
Alan Parsons bedankte sich für die Möglichkeit, Marken-Botschafter für die High End zu sein. Als Profimusiker und Musikproduzent käme er natürlich von der gegenüberliegenden Welt sozusagen, da es doch einen ziemlichen Graben zwischen der Pro- und der High-End-Welt gebe. Ein Studioproduzent höre sein Equipment und sage: OK, es läuft! Ein Highender höre seine Anlage und sage: Also wenn ich jetzt noch eine bessere Komponente X habe, dann passt es.
Anderes Bonmot: «Der übliche Musikkonsument kauft seine Anlage, um Musik zu hören. Der Highender hört Musik, um seine Anlage zu hören.» Der ganze Hörraum lachte laut, zu gut kennt auch die Presse ihre Spezies.
Dann ging Alan Parsons auf die Entwicklung der Aufnahmetechnik ein, von der analogen Zweikanal- bis zur digitalen Multikanal-Technologie. Er selbst sei inzwischen wieder zur analogen Aufnahmetechnik zurückgekehrt, hätte sich wieder ein analoge 32-Kanal-Aufnahmemischpult zugelegt.
Parallel zu diesem Retro-Trend biete modernste Digitaltechnologie die Möglichkeit, Fernaufnahmen zu machen: Wenn der Gitarrist beispielsweise nicht im Studio, sondern irgendwo auf der Welt gleichzeitig aufgenommen wird. Bevor es zur Fragerunde ging, wies er auf Dolby Atmos hin, das er erst kürzlich in seinem Studio installiert hat und das neue, faszinierende Möglichkeiten biete.
In der abschliessenden Fragerunde erzählt er, wie der kreative Prozess des Musikkomponierens funktioniert und dass es auch ein dynamischer Prozess mit seinen Band-Mitgliedern sei. Auch ging er auf die Zeit ohne Live-Auftritte ein und seine Freude, wieder live auftreten zu können. Bei den jetzt wieder möglichen Live-Auftritten konnte er endlich wieder zwei neue Live-Alben aufnehmen, die noch dieses Jahr veröffentlicht werden sollen.
Eine interessante Frage betraf den «Loudness-War/Krieg», also die Musikproduktion mit möglichst bis zum Limit ausgesteuerten Songs. Er bedauert diesen «Loudness-Krieg» sehr und betont, dass er für dynamische Musikaufnahmen bekannt sei und nie bei dieser verhängnisvollen Entwicklung mitgemacht habe. Ihn habe das nie gekümmert, aber er wisse, dass die Musik-Labels diesen Loudness-Wettbewerb angezettelt hätten.
Die Frage von Lothar Brandt (Audio Swiss), ob er tatsächlich anno 1969 bei der allerletzten Beatles-Aufnahme auf dem Dach von Apple Records gewesen sei, konnte Alan Parsons definitiv mit Ja beantworten. Er hätte dannzumal eine oranges Shirt mit Krawatte getragen und es sei definitiv ein unvergesslicher Tag gewesen.
Bei der letzten Frage wurde er gefragt, wenn er eine Zeitreise machen könnte, in welche Zeit er reisen würde. Interessanterweise würde er seine erlebte Zeit mit der Entwicklung von 4-Spur-Analog bis Multikanal-Digital heute nicht missen wollen und es komme ja, wie bei High-End immer, neues dazu. Dies, obwohl er speziell bei den Mikrofonen auf Technologie von anno 1948 (Röhre) schwört.
Fotosafari High End München 2022
Falls Sie nicht an der Messe gewesen sind und einen Eindruck der High End München 2022 erhalten möchten, haben wir für Sie eine Fotostrecke zusammengestellt, die einen nicht-repräsentativen Querschnitt durch die Hallen und Musikräume zeigt. Aufgrund der Masse an Ausstellern und Produkten ist es unmöglich, alle Hersteller und Vertriebe zu berücksichtigen. Falls Sie als Hersteller oder Vertrieb nicht abgebildet sein sollten, dann ist das keineswegs Absicht, sondern der schieren Menge geschuldet! Mea Culpa.
Best Sound of the High End Show München 2022
Ich wollte Ihnen eigentlich nur eine «Best-Sound of the High End Show Anlage» präsentieren, was aber absolut subjektiv ist. Mir war es bei der Masse an Anlagen gänzlich unmöglich, alle Räume zu besuchen, um mir ein umfassendes Urteil zu bilden. Hinzu kommt, dass die Anlagen je nach Tageszeit, Musikauswahl und Verfassung des Autors unterschiedlich rüberkommen.
Die drei nachfolgend präsentierten Anlagen wurden übrigens nicht nur von mir, sondern auch von anderen mir bekannten Besuchern als sehr gut klingend bewertet. Interessant ist, dass alle drei Systeme komplett unterschiedlich sind, aber das gut klingende Resultat dann doch recht ähnlich war – viele Wege führen bekanntlich ins Klang-Elysium! Also, hier meine Top 3:
1. Alsyvox Planarspeaker mit Lampizator DAC, Taiko Digital Electronics, Jadis Verstärker
Diese exotische, bunt gemischte Anlage bestand aus Taiko-Digital-Elektronik (Niederlande), Jadis-Röhrenverstärker (Frankreich), dem neuen Top-Röhren-DAC "Horizon" von Lampizator (Polen) und Alsyvox-Flächenstrahlern (Spanien). Flächenstrahler sind nichts Neues auf dem Audio-Planeten, aber neu ist, dass die grossflächigen Alsyvox Flächenstrahler einen Wirkungsgrad von ca. 95 dB haben, was für diesen Typ Lautsprecher eine eigentliche Sensation darstellt.
Die Anlage wurde mit einem Jadis-Röhrenverstärker von 2 x 30 Watt betrieben und es war jederzeit mehr als genug Leistung vorhanden. Das präsentierte Alsyvox-Modell "Raffaello" kostet gegen CHF 300'000, das kleinste Modell "Tintorello" ist im Bereich von CHF 80'000 angesiedelt und hat auch wohnzimmerfreundlichere Abmessungen. Der Gesamtwert der ganzen Anlage belief sich auf ca. CHF 500'000.
Der Klang der Anlage war sehr homogen und bruchlos, dazu sehr hochauflösend und druckvoll. Die Basswiedergabe war schnell und präzise und man suchte irgendwie nach Subwoofern, die aber nirgends zu finden waren. Gerne werden wir Ihnen diese Ausnahme-Flächenstrahler zu einem späteren Zeitpunkt genauer vorstellen. Aktuell vertreibt die Firma PhP-Audio aus dem Elsass die Alsyvox-Lautsprecher auch für die Schweiz.
2. Das Steinmusic-System
Mein Besuch des Steinmusic-Raums fand zum Schluss meines zweiten Messetages statt. Eigentlich war ich schon ziemlich bedient mit guter Musik und tollen Anlagen, zudem bin ich bekennendermassen kein Fan von Horn-Systemen. Umso positiver war ich dann vom System von Holger Stein überrascht. Das grosse Hornsystem «Bob XL» ist nämlich ein Kugelwellen-Horn. Als Treiber wurden Kalotten (Hochton) und Konus-Chassis (Mittelton) verwendet, die Bässe waren als Openbaffle, also Rückwand-los konstruiert und BI-amplifiziert.
Übliche Hornsysteme verwenden ja Kompressionstreiber, die Holger Stein eben bewusst nicht verwendet. Das grosse Hornsystem kostet übrigens ca. CHF 400'000, die gesamte Anlage hat einen Wert von gegen CHF 700'000. Nach dem grössten System führte Holger Stein auch seine kleinsten Lautsprecher «Bobby S» vor. Auch diese spielten für ihre Kleinheit absolut überzeugend.
Das Steinmusic-System zeichnete sich durch Dynamik, Auflösung und Ruhe aus. Digitale oder analoge Wiedergabe waren klanglich nicht zu unterscheiden, lediglich das leise Knistern zwischen den Stücken verriet, dass gerade Vinyl gespielt wurde. Holger Stein und sein Team machen definitiv etwas richtig!
3. Nagra-System mit Wilson Audio
Den Nagra-Raum besuchte ich ziemlich zu Beginn des ersten Tags und blieb viel länger sitzen als ich eigentlich geplant hatte – was ja schon mal ein gutes Zeichen ist. Das komplette Nagra-Set-up mit dem neuen Laufwerk als Premiere spielte an den grossen Wilson Audio Chronosonic XVX, die auch von anderen Ausstellern als Referenz-Lautsprecher verwendet wurden.
Die Nagra-Anlage spielte auf extrem hohen Niveau in jeder Beziehung, nämlich bezüglich Homogenität, Spielfreude, Dynamik, Bassdruck und Stimmenwiedergabe. Natürlich hat der Genfer Hersteller Nagra einen exzellenten Weltruf, aber ich hatte den Eindruck, dass nicht nur ich, sondern ganz viele Besucher sehr angetan waren.
Preislich bewegen wir uns ebenfalls auf Top-Niveau: Die Wilsons kosten mit Subwoofer gegen CHF 500'000 und das Gesamtsystem wird wohl gegen eine Million gehen, allein das neue Vinyl-Laufwerk von Nagra kostet CHF 150'000 (ohne Tonarm und Zelle).
Nachdem sich meine Augen auf die relative Dunkelheit des Raumes eingestellt hatten, erblickte ich links und rechts zwei diskret platzierte Subwoofer. Gut integrierte Subwoofer verbessern bekanntlich die Auflösung und Räumlichkeit einer Anlage massiv. Ich vermute mal, dass das mit ein Grund war, dass die Wilson XVX im Nagra-Raum subjektiv am besten geklungen haben. Somit stand auch eine Schweizer Elektronik, zusammen mit dem US-Lautsprecher Wilson, auf dem imaginären Siegertreppchen, bravo!
Mein Fazit zu den Top 3 der Audio-Systeme
Wie Sie an meiner Auswahl sehen, sind die ausgewählten Anlagen komplett unterschiedlicher Natur. Vinyl und digitale Quellen versorgten Röhren oder Transistor-Elektronik – und alle spielten gross auf. Speziell die Lautsprecher-Prinzipien waren unterschiedlich: Flächen-Lautsprecher, Horn- und dynamische Lautsprecher führen – gut gemacht – zu exzellentem Klang. Auch preislich schenken sich die Systeme nichts, bewegen sie sich doch zwischen CHF 750'000 und einer Million. Es ist ja nicht so, dass es nicht auch gute Systeme für ein Zehntel dieser Beträge gibt, aber der Aufwand für die Champions-Klasse hat halt seinen Preis.
Das exotischste System
Einen Spezialpreis möchte ich hier noch vergeben, nämlich den für die exotischste Anlage der High End München 2022. Dieser Sonderpreis geht an die Western-Electric-Anlage. Western Electric ist ein Audio-Hersteller der ersten Stunde, gegründet 1869. Er produzierte zuerst Telefonanlagen für Bell und AT&T und präsentierte bereits 1906 die erste Audio-Röhre. Später wurde Western Electric bei Röhrenfans durch die 300B-Röhre von 1938 bekannt. Das Unternehmen produzierten aber auch Mikrofone, Horn-Lautsprecher und Röhrenverstärker, mit denen dann die ersten Kinos in den 1920er-Jahren ausgerüstet wurden.
Nun gab der Kult-Hersteller Western Electric (WE) seinen Einstand. Und was für einen! WE präsentierte zwei Hörräumen an der High End den neuen integrierten Verstärker 91E, der auf der legendären Western Electric 300B basiert. Ebenfalls wurde der Mitteltöner 777 AMT in einem bisher nie gezeigten 3-Weg-System präsentiert.
Fazit zur High End München 2022
Onlinelink:
https://avguide.ch/magazin/das-comeback-der-mutter-aller-high-end-shows-high-end-muenchen-2022