Megapixel-Wunder zum Zweiten
Test: Nikon D810

Die kürzlich erschienene D810 von Nikon löst ihre beiden Vorgängermodelle D800 und D800E im Profi-Segment des Herstellers ab. Die D810 ist dabei klar eine Aktualisierung und Verbesserung der Vorgängermodelle und keine reine Neuentwicklung. Wenn aber keine bahnbrechenden Innovationen ins aktuelle Modell Eingang gefunden haben: Lohnt sich der Kauf einer D810 wenn man schon die D800 besass und was leistet die hochauflösende Kamera wirklich?
Die D810 hat wie die D800E auch einen Vollformat-Sensor ohne Tiefpassfilter mit 36,3 Megapixeln verbaut. Ein fehlendes Tiefpassfilter kann die Detailschärfe bei der hohen Auflösung des Sensors erhöhen, sofern hochwertige Objektive eingesetzt werden. Der Sensor der D810 ist gemäss Nikon eine Neuentwicklung, der ebenfalls neue Expeed 4 Prozessor sorgt für eine noch schnellere Bildverarbeitung als bei den Vorgängern. Neben dem Sensor im FX-Format ist in der D810 ein Autofokus-Modul mit 51 Messfeldern integriert. Dies erlaubt Bilder in voller Auflösung bei einer Bildrate von bis zu 5 Bildern pro Sekunde, bei der D800 war es noch eines weniger. Schraubt man die Auflösung aufs DX-Format herunter, sprich auf 15,3 Megapixel, sind satte 7 Bilder pro Sekunde möglich.
Nikon verspricht für die D810 "grossen Dynamikumfang, hohe Auslesegeschwindigkeit und rauscharme Leistung auch bei hohen ISO-Empfindlichkeitsstufen". Der ISO-Bereich reicht von ISO 64 bis 12.800. Im erweiterten Modus kann er von ISO 32 bis 25.600 genutzt werden. Die niedrigen ISO Werte 32 und 64 dürften vor allem in Fällen zum Einsatz kommen, wo vorher noch ein Graufilter nötig war, um längere Belichtungszeiten zu erreichen. Die hohen ISO-Werte versprechen eine tolle Low-Light-Performance.

Die Nikon D810 bietet die Möglichkeit, Aufnahmen nicht nur im vollaufgelösten RAW-Format aufzunehmen, sondern auch in sRAW. Dieses mit vier mal weniger Megapixeln gespeicherte Bild sollte Speicherplatz einsparen und trotzdem die Nachbearbeitungsmöglichkeiten einer RAW-Aufnahme beibehalten. Nikon hat hier aber leider keine signifikante Verkleinerung der Datei hingebracht, die D810 braucht für ein Bild im RAW-Format bei 36 Megapixeln 36 MB, sRAW war um die 30MB je nach Einstellung. Die Speicherersparnis ist also eher klein und dank einigen Verlusten in der Komprimierung lohnt sich sRAW bei der D810 weniger.
Natürlich sind solche kleinen Speicher keine Option für eine Kamera dieses Formats, und auch da hat Nikon mitgedacht. Ein doppeltes Speicherkartenlaufwerk bietet flexible Speichermöglichkeiten, gespeichert wird auf CompactFlash (CF), sowie SD-, SDHC- oder SDXC-Karten. Dabei wird ein Slot als primärer Speicher ausgewählt, während der zweite drei Optionen bietet: "Reserve" (wird erst gebraucht wenn der primäre Slot voll ist), "Sicherungskopie" (jedes Bild wird auch auf der zweiten Karte gespeichert) und "RAW primär, JPEG sekundär" (jedes Bild wird im RAW-Format im primären Slot und als JPEG im sekundären abgelegt).
Weitere Features

Leiser Verschluss
Was beim Fotografieren mit der D810 schnell auffällt, ist das gedämpfte Auslösegeräusch. Dies ist einer neuen Verschluss- und Spiegelmechanik zu verdanken, welche gemäss Nikon Erschütterungen und Geräuschentwicklung durch den Spiegelschlag abdämpft. Dabei kommen auch Langzeitbelichtungsfotografen zum Zug, denn die neue Funktion „elektronischer 1.-Verschlussvorhang“ soll interne Vibrationen durch die Verschlussauslösung minimieren. Dabei wird durch eine Vorabauslösung des mechanischen Vorhangs vor allem bei Langzeitbelichtungen jegliche Erschütterung der Kamera vermieden, das wiederum bedeutet bessere Schärfe und Bilddetails trotz langer Belichtungszeit.
Zackiger Download dank USB 3.0
Besonders nett ist die verbaute USB 3.0 Schnittstelle, damit muss man nicht auf einen schnellen externen Kartenleser zurückgreifen. Denn hat man einige Aufnahmen im RAW-Format mit 36 MP gemacht, kommt eine schöne Datenmenge zusammen. Ein tolles Feature, das Zeit spart.
Zeitraffer- und Intervallmodi
Besonders Timelapse-Fotografen schätzen die integrierten Modi für Zeitraffer- und Intervallaufnahmen. Bei ersterem kann sogar angewählt werden, ob die Kamera den Zeitraffer-Film gleich intern erstellen soll oder ob man lieber die Einzelaufnahmen als Output hat, um in der Nachbearbeitung selbst Hand anzulegen. Tollerweise kann der Intervall-Auslöser nun bis 9999 Bilder programmieren, nicht nur bis 999 wie bis anhin.
Damit die Option Zeitraffer / Intervall freigeschalten ist, muss übrigens Mehrfachbelichtung aus sein, die Zeitzone und Datum müssen eingestellt sein und im Individualmenü G4 muss der Auslöser auf Foto gesetzt sein. Ansonsten ist die Funktion deaktiviert.

Video
In Punkto Videoaufnahmen hat die D810 auch zugelegt, dabei kamen zwei wichtige Neuerungen dazu. Einerseits kann die D810 neu Full-HD (1080p) mit 60 Bildern pro Sekunde aufzeichnen. Ein solches Upgrade war nötig, zumal bereits kleine Actioncams wie die GoPro Hero 3 eine solche Performance hinlegen. Damit sind auch einfache "Zeitlupenaufnahmen" in hoher Qualität möglich. Zweiter Punkt ist die "Zebra-Funktion", damit werden überbelichtete Bereiche im Liveview dargestellt. Ein ungemein wichtiger Vorteil, wenn man mit einer Spiegelreflexkamera filmt.
Wie bereits die Vorgänger liefert auch die D810 einen unkomprimierten Videostream über HDMI, wodurch sich Videos in bester Qualität auf einem externen HDMI-Recorder aufzeichnen lassen.
Features, die noch fehlen ...
Bei einem solchen Gesamtpaket von fehlenden Featuers zu sprechen, ist fast frech, aber wer den hohen Preis bezahlt, will auch den vollen Umfang. Fehlende Features sind aus der Sicht des Autoren drei Punkte, die wirklich "nice to have" wären. Einerseits GPS-Empfänger. Mittlerweile bei Kompaktkameras zum Standard geworden, werden sie bei Spiegelreflex-Kameras noch gemieden. Ich fände es vor allem auf Reisen praktisch, auf Ortsinformationen in den EXIF-Daten zurückgreifen zu können.
Ebenfalls vergeblich sucht man WLAN. Es kann zwar mittels Adapter von Nikon nachgerüstet werden, aber ein internes Modul wäre schon praktisch gewesen. Eilt der Bilderdownload mal nicht, würde auch die bequeme Drahtlos-Variante reichen.
Der letzte Punkt betrifft DSLR-Filmer: Hier fehlt das sogenannte "Fokus Peaking". Es erleichtert manuelles Scharfstellen durch optisch ins Livebild eingeblendete und farblich abgesetzte Konturlinien. Hilft ungemein beim Filmen, vor allem mit offener Blende. Das Feature ist heutzutage üblich.
Handhabung

Die Nikon D810 macht in ihrer Handhabung und Bedienung einfach Spass pur. Einerseits trägt hier die wie angegossene Form bei, dank welcher die grosse Kamera mit fast 1 kg Eigengewicht gut zu halten ist. Besonders der ergonomische Griff und die gut haftende, aber nicht klebende, gummierte Oberfläche tragen einiges dazu bei.
Andererseits liegt es auch am durchdachten Bedienkonzept mit klarer Struktur und guter Positionierung der Bedienelemente. Obwohl ich als Tester mit Canon Kameras gross geworden bin, habe ich mich schnell mit dem Konzept von Nikon angefreundet. Taster weisen klare Druckpunkte auf, und die Drehräder lässen sich mit einem klaren haptischen Feedback nutzen. Was auffällt, ist das nicht vorhandene Drehrad für das Fotoprogramm. Dieses wird mittels MODE-Taste und dem hinteren Drehrad gewählt - zur Verfügung stehen die folgenden, üblichen Modi: P (Programm), S (Shutter = Zeitvorwahl), A (Aperture = Blendenvorwahl) und M (Manuelle Wahl von Blende und Zeit).
Gut erreichbar und dominant platziert sind oben links Direkttasten für Qualität, Weissabgleich, ISO-Empfindlichkeit und Belichtungsmessung. Darunter befindet sich das Wahlrad für die verschiedenen Aufnahmemodi: S (Single = Einzelaufnahme), C-L und C-H (Continous Low und High = langsame und schnelle Serienaufnahme), Q und Q-C (Quiet und Quiet-Continous = Leise und Leise-Serienaufnahme), Selbstauslöser (die Vorlaufzeit wird im Menü eingestellt) und M-UO (Mirror Up = Spiegelvorauslösung).
Display und Menü
Das Display auf der Rückseite der Kamera wird bereits ab Werk mit einer Plexiglasabdeckung ausgeliefert. Das ist vorbildlich. Ist das Display erst einmal zerkratzt, sitzt der Ärger tief. Die Abdeckung macht auf jeden Fall Sinn. Das 3,2 Zoll Display verzichtet auf den mittlerweile üblichen "Schnickschnack" von Einsteigerkameras: Weder Touchscreen, noch klapp- oder schwenkbar und auch keine automatische Helligkeitseinstellung wurden integriert. Auf jeden Fall ist es sehr hell und auch in der Sonne gut einsehbar; dafür sollen gemäss Nikon weisse Subpixel sorgen. Praktisch für eine seriöse Bildkontrolle: Die Displayfarben lassen sich einstellen und können auf den heimischen Bildschirm angepasst werden.
Nicht ganz Einsteiger- beziehungsweise Umsteiger freundlich ist das unübersichtliche Menü. Zahlreiche Optionen stehen in einer leicht unterteilten Liste zur Verfügung; das erschwert den Umstieg von anderen Herstellern sehr. Am wichtigsten ist sicher das noch übersichtliche Aufnahme-Menü, während man das System-Menü grundsätzlich nur einmal nach der Erstinbetriebnahme einstellen muss. Besonders umfangreich wird es im Menüpunkt "Individualfunktionen", in welchem es sieben weitere Untermenüs (Autofokus, Belichtung, Timer/Belichtungs-Speicher, Aufnahme & Anzeigen, Belichtungsreihen & Blitz, Bedienelemente und Video) gibt. Man muss hier aber auch anfügen, dass der geübte Fotograf in fast allen Punkten ohne zusätzliche Informationen klar kommen dürfte. Man sieht auch, dass die D810 auf den Profi ausgerichtet wurde, wer also von einem kleinere Gerät umsteigt, darf hier etwas Zeit investieren.
Bildqualität und -verarbeitung

Es sind zwar seit der Vorstellung der D800 mehr als zwei Jahre vergangen, trotzdem aber ist der Nikon 36 Megapixel-Sensor im Vollformat das Mass der Dinge. Nebst den Nikon Kameras gibt es aktuell nur noch die Sony Alpha 7R auf dem Markt, welche über einen solch hochauflösenden Sensor verfügt. Am Rande sei hier auch erwähnt, dass Nikon die Sensoren von Sony bezieht, also von ungefähr kommt das nicht. Die Bilder überzeugen bei der D810 dank der extrem hohen Auflösung durch eine enorme Detailfülle. Vorausgesetzt ist ein gutes Objektiv. Im Test wurden das Nikkor 24-70mm f/2.8 und das neue Nikkor 58mm f/1.4 verwendet. Vor allem das Festbrennweitenobjektiv im FX-Format ist eine Klasse für sich. Damit kann man bei fast allen Lichtverhältnissen arbeiten.
Dank der hohen Detailfülle und Auflösung bemerkt man in der 100%-Ansicht schnell kleine Verwackler, die Aufnahmen scheinen misslungen. Bei einem Druck auf A4 Format sind diese "Verwackler" aber nicht zu sehen. Wer aber auf die ultimative Schärfe Wert legt, der sollte immer ein Stativ dabei haben. Dieses hilft, zusammen mit der Fernauslösung, absolut scharfe Aufnahmen für grosse Prints zu schiessen. Bei der Stativwahl sollte man sich aber auch an der Oberklasse orientieren, Kamera und Objektiv sind keine Leichtgewichte!
Fokus
An der Nikon D810 wurde dasselbe 51-Punkt-Fokussystem wie im Topmodell D4S verbaut. Das Fokussieren soll damit sogar schneller sein als mit der D800. Bei schwierigen Lichtsituationen kommt die Hilfsleuchte zum Zug, teilweise kommt diese etwas verfrüht zum Einsatz, kann aber in den Settings deaktiviert werden. Für die Aufnahme von bewegten Motiven kann man mit der D810 auch Fokusfelder gruppieren. Damit kann man schnelle Objekte einfacher scharf stellen, bei Serienaufnahmen wurde der Fokus in den meisten Fällen getroffen.
Bei der Belichtungsmessung wurde in den meisten Fällen die Matrix-Messung angewandt. Diese überzeugt bei normalen Lichtsituationen und arbeitet zuverlässig.
Tiefe ISO-Werte
Der Standard-ISO des Sensors liegt bei ISO 64. Damit lässt sich auch mal mit Stativ etwas länger belichten ohne gleich ein schwaches ND-Filter zur Hand nehmen zu müssen. Wer noch tiefer gehen möchte, hat die Auswahl der Stufen Lo0.3 (ISO 50), Lo0.7 (ISO 40) und Lo1.0 (ISO 32). Interessant ist der Bereich nach oben, die reguläre Empfindlichkeit reicht bis ISO 12.800. Mittels Hi0.3 bis Hi2.0 stehen noch vier Erhöhungen bis ISO 51.200 zur Verfügung. Damit kann man auch problemlos nach dem Eindunkeln aus der Hand fotografieren. Bis ISO 1600 ist bei der D810 Rauschen kaum erkennbar; hier schlägt die D810 viele Mitbewerber.
Nebst den Leistungen im High-ISO-Bereich zeigt die D810 von Nikon einen grossen Dynamikumfang, sprich sie ist fähig, dunkle wie helle Bereiche des Bildes gut abgestuft wiederzugeben. In diesem Punkt wird die Konkurrenz abgehängt.
Fazit
Dass die Nikon D810 in diesem Test überzeugt hat, dürfte nach den bisherigen Zeilen klar sein. In Sachen Auflösung, kombiniert mit Schärfe und Dynamikumfang, steht die Nikon D810 alleine auf weiter Flur und hat sich einen Spitzenplatz voll und ganz verdient. Hat man sich erst einmal mit dem extrem umfangreichen Menü angefreundet, kann man sich über die gute Haptik und die gelungenen Bedienelementen freuen. Besonders die Direkttasten erleichtern das Handling im Einsatz. Gefallen hat mir die Kombination der D810 mit dem 58mm f/1.4 Objektiv, eine tolle Kombination, welche viele Möglichkeiten bietet dank der grossen Offenblende und des besonders weichen Bokehs.
Die D810 löst die beiden Vorgängermodelle D800 und D800E ab. Da die D810 wie die D800E auch über einen Sensor ohne Tiefpassfilter verfügt, liegt sie auch preislich in dieser Region. Mit 3778.- CHF (UVP) für den Body der D810 ist man dabei. Gegenüber der D800 ist das ein Aufpreis, der durch die schnellere Bildverarbeitung und bessere ISO-Leistung belohnt wird. Dürfte man bei Nikon drei Verbesserungsvorschläge einreichen, wären ein 4K-Filmmodus, WLAN und GPS tolle Zusatzfeatures. Das ist natürlich Kritik auf hohem Niveau, die Nikon D810 ist definitiv eine würdige Nachfolgerin der D800(E).

- breiter ISO-Bereich
- starke Leistung im High-ISO-Bereich
- Tolle Schärfe und Details
- 36 Megapixel
- GPS
- WLAN
- Fokus Peaking
- 4K Aufnahmemodi (Film)
Onlinelink:
https://avguide.ch/testbericht/megapixel-wunder-zum-zweiten-test-nikon-d810