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Erlebnis

Analog HiFi-Forum 2015

Publiziert am 17. November 2015 - Lothar Brandt
Blick in den „Börsensaal“Blick in den „Börsensaal“

Trotz des warmen Spätherbst-Wetters an dem Sonntag, 16. November, war das Bildungszentrum 21 zu Basel bereits früh gut gefüllt. Kein Wunder, hatte doch die rührige Schweizer Sektion der Analogue Audio Association (AAA) wieder für ein attraktives Programm und schöne Ausstellungshighlights gesorgt. Die guten Geister und Hauptorganisatoren waren die AAA-Mitglieder Thomas Breitinger und Gisela Meinicke.

Traditionell bildet die grosse Schallplattenbörse im Auditorium mit den stärksten Publikumsmagneten. Hier konnten die Jäger der vermeintlich verlorenen Vinyl-Schätze wieder etliche derselben heben. Anbieter wie Michael „Mike“ Kern von Big Fun Music hatten wieder reichlich gut erhaltene Occasionen mitgebracht. Und natürlich viele der inzwischen ja glücklicherweise wieder zahlreich gepressten Wiederveröffentlichungen. Dieses Stöbern in den gewissen Plattenkisten zählt zu den erhebenden Momenten im Leben jedes Vinyl-Fans.

Auch Plattenwaschmaschinen waren zu bestaunen, inzwischen zu einer Art Standardausrüstung für intensive Plattensammler geworden.

Sammlerstücke

Die Ausstellung von Schallplattenhüllen mit Tauben-MotivDie Ausstellung von Schallplattenhüllen mit Tauben-Motiv

Zu dieser Spezies gehört sich das AAA-Mitglied Erhard G. Knaak, der eigens aus der Nähe von Erfurt in Deutschland mit drei Stellwänden angereist war. Er gehört wohlgemerkt zur Schweizer AAA und beglückte die Kommenden mit einer unfassbar liebevoll und kenntnisreich bestückten Ausstellung zum Thema „Die Symbolik der Taube im Spiegel der Schallplatten-Hüllen“. Aus über 30 Ländern hat Knaak eine umfangreiche Kollektion zusammengetragen, aus der er 150 Schmuckstücke vorstellte. Eine kulturhistorische Rundschau, wo es sogar Werke von Picasso zu sichten galt.

Sammlerstücke anderer Art gab es in zahlreichen Räumen zu sehen, wo zum Teil historisches Gerät aufspielte – oder auch Gesuchtes von Morgen. So gab es im Raum „Darsane“ von Rowen, Swissonor und dem Händler Gramophone 2010 erlesene Anlagen von Rowen, NAD und historischen Thorens-Plattenspielern zu sehen und zu hören. Und wer genau hinschaute, konnte im hinteren Bereich unter anderem den legendären Vollverstärker NAD 3020 entdecken, den Yvo Aebischer von Dynavox/Rowen mitgebracht hatte.

So erstaunlich wie erfreulich war auch die grosse Zahl spielfähiger und eingesetzter Tonbandmaschinen, insbesondere natürlich von Revox. Die wurden auch als Occasionen angeboten. Der Autor staunte nicht schlecht, als er bei Mario Di Bernado eine nach dessen Aussage komplett überholte B 77 für 700 Franken sah.

Ein ganzer Raum mit Occasionen.Ein ganzer Raum mit Occasionen.

Anlagen und Musik

Die Anlage von Rowen und Swissonor wurde präsentiert von Gramophone 2010Die Anlage von Rowen und Swissonor wurde präsentiert von Gramophone 2010

Zahlreiche komplette Anlagen spielten auf, wofür unter anderem die diversen Schweizer „Stämme“ der AAA gesorgt hatten. Die Berner sorgten unter anderem mit Anlagen von Dual und Revox für leuchtende Augen, die Basler fuhren Analog-Kunst von Dr. Feickart, Kuzma, Lyra und Manley auf, ergänzt von dem neuen Wunderlautsprecher KiiThree. Die Zürcher hatten sich im Raum „Freetown“ mit Ouir zusammengetan, so gab es neben Quad auch Komponenten von AudioNote zu bewundern. Interessant auch der Klangvergleich von Masterband gegen Schallplatte.

Sogar Live-Musik wurde geboten: Hammond-B3-Virtuose Tommy Schneider spielt zwei Sets auf seiner Orgel zusammen mit „Friends“.

Vorträge

Das VortragsprogrammDas Vortragsprogramm

Weil die von der AAA organisierten Vorträge immer gern besuchter Bestandteil der Veranstaltung sind, wurde das Vortragsprogramm sozusagen gedoppelt, so dass auch jeder Messebesucher, so er wollte, jeden Vortrag hören konnte. Für die Vortragenden bedeutete das quasi doppelten Einsatz, der aber gern geleistet wurde. Das galt zumindest für den Autor Lothar Brandt, der über die „Beatles in Mono“ referierte. Anlass war der 35. Jahrestag der Ermordung John Lennons, dessen 75. Geburtstag und natürlich die letztes Jahr erschienene, noch immer erhältliche 14-LP-Box „The Beatles in Mono“. Hintergründe und Klangvergleiche sorgten für Unterhaltung und – hoffentlich – ein wenig Erkenntnisgewinn.

Fast schon kulturphilosophische Züge gewann der emotional vorgetragene Beitrag von AAA-Mitglied Sigi Bürgi zum Thema „Richtig Musik Hören“. Die Verrohung des Musikhörens durch die mp3-Welle, der Verlust des synästhetischen Musikerlebens durch die allseitige Computerisierung und ständige Verfügbarkeit jeglicher Musik lag ihm am Herzen und sicher sprach er mit seinen Sorgen die vieler Besucher aus.

Mehr aus der und für die Praxis war der Workshop von Robert Merker von Goosebumps, der wie gewohnt klar strukturiert und nachvollziehbar das für jeden Analogfan dräuende Thema „Tonarm einstellen“ anpackte. Aus seinen Erläuterungen konnte man erstens ein wenig Mut fassen, doch öfter mal auch Tondosen zu wechseln und sich nicht von der Angst, etwas kaputtzumachen, den Spass verderben zu lassen. Und sich zweitens nicht zu sehr in ideologische Grabenkämpfe verwickeln zu lassen um Mikrometer beim Überhang oder Mikrograde beim tangentialen oder vertikalen Spurfehlwinkel. Es ist richtig, wenn es richtig tönt – eine schöne Quintessenz.

Überraschend und äusserst anregend war schliesslich der zweigeteilte Vortrag von Elke Hofmann. Die waschechte Professorin, ausgebildete Pianistin und erfahrene Pädagogin brachte einem zunehmend faszinierten Publikum ihr Spezialgebiet „Gehörbildung“ näher. Hier konnten Menschen, die überwiegend Musik „passiv“ erleben, einmal aus erster Hand erfahren, was professionelle Musiker alles hören können müssen, wenn sie in der Schweiz diplomieren wollen. Es wurde gesungen, Noten an das Flipchart gemalt, mit herrlichen Grafiken an der Leinwand komplizierte Themen erläutert. Und das für HiFi durchaus relevante Thema „Grund- und Obertonhörer“ kompetent erklärt. Die HiFi-Fachpresse hat diese Unterscheidung von Hörertypen, entscheidend für das Wahrnehmen von Musikwiedergabe als „richtig“ oder „falsch“, als „besser“ oder „schlechter“, meist vernachlässigt. Ausnahme: Christine Tantschinez in Audio vor einigen Jahren.

Fazit

Eine rundum gelungene Veranstaltung, die vom Idealismus und der Einsatzbereitschaft der Veranstalter lebt. Viele Besucher dürften ihr Kommen nicht bereut haben und sich bereits auf das nächste Jahr freuen.

Auch die DJ-Scene gehört zur analogen Welt. Hier der Saal von PW aussen...
Auch die DJ-Scene gehört zur analogen Welt. Hier der Saal von PW aussen...

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