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Es lebe das Horn!

Die faszinierende Welt von Blumenhofer

Publiziert am 04. Dezember 2016 - Christian Wenger
Genuin FS1 MKII: Das Spitzenmodell der Genuin-Serie klingt hervorragend natürlich und dynamisch.Genuin FS1 MKII: Das Spitzenmodell der Genuin-Serie klingt hervorragend natürlich und dynamisch.

Thomas Blumenhofer baut seit 40 Jahren Lautsprecher, vorwiegend Hornlautsprecher. Das Funktionsprinzip fasziniert ihn total. Die akustische Schallverstärkung des Horns hat einen grossen Vorteil: Die Membran des Schallwandlers kann ohne Anstrengung grosse Dynamik entfalten. Zum Vergleich stelle man sich einen Adler vor, der seine mächtigen Flügel so schnell bewegt wie ein Kolibri.

Man benötigt für viel Dynamik viel weniger Antrieb. Eine akustische Schallverstärkung arbeitet beinahe ohne Verluste. Es gibt aber auch Nachteile wie tonale Verfärbungen in Richtung Hohlklang. Dagegen hilft aber Know-how, sprich sehr viel Erfahrung. Seit vier Dekaden baut Blumenhofer solche Lautsprecher, aber erst seit gut zehn Jahren werden sie in Serie gebaut.

Davor verwirklichte man ausschliesslich Custom-Projekte für anspruchsvolle Kunden – sowohl private als auch professionelle. Das macht Blumenhofer zwar heute, doch es bleibt immer weniger Zeit für aufwändige, kundenspezifische Systeme. Das Unternehmen ist heute sehr erfolgreich, weil es aussergewöhnlich gute Lautsprecher baut.

Kein Hobby-Hersteller

"Manufaktur" ist ein positiv besetzter Begriff, der schmeichlerisch nach Passion und Handarbeit klingt. Oftmals verbergen sich dahinter aber Hobby-Betriebe, deren Fertigungstiefe und Kompetenz sich auf den Zusammenbau beschränken. Betrachtet man Fotos aus der Fertigung von Manufakturen, stammen viele Bilder auch von ihren Zulieferern.

Ich war sehr gespannt, zu ergründen, wie Blumenhofer arbeitet und was die Leute dort alles drauf haben.

Grosse Fertigungstiefe

Nach dem Laminieren der Furniere wird die Oberfläche gespachtelt und geschliffen.Nach dem Laminieren der Furniere wird die Oberfläche gespachtelt und geschliffen.

Die komplizierten Holzgehäuse und die noch komplizierteren Hörner werden vollständig in der eigenen Fertigung hergestellt. Viele Lautsprecherhersteller beauftragen externe Schreinerbetriebe mit dieser zentralen Aufgabe. Blumenhofer macht alles selbst. Zudem werden in dieser Schreinerei keine anderen Produkte hergestellt. Sie dient allein dem Lautsprecherbau.

Das Mitteltonhorn einer Gran Gioja hat eine komplizierte Form und soll mit einer Toleranz von +/- einem Hundertstel Millimeter gefertigt werden.Das Mitteltonhorn einer Gran Gioja hat eine komplizierte Form und soll mit einer Toleranz von +/- einem Hundertstel Millimeter gefertigt werden.
Mit der grossen CNC-Fräsmaschine werden grosse und kleine Werkstücke gefertigt.Mit der grossen CNC-Fräsmaschine werden grosse und kleine Werkstücke gefertigt.

Kleine Geheimnisse

Der Tief/Mittelton-Treiber der Tempestas verfügt über eine von Blumenhofer entwickelte Schicht-Membrane. Der Tief/Mittelton-Treiber der Tempestas verfügt über eine von Blumenhofer entwickelte Schicht-Membrane.

Besonders beeindruckend sind die Furnierarbeiten, die mit einer eigenen Presse ausgeführt werden. Anschliessend werden weiche Stellen und Löcher im edlen Furnier mit einer Kontrastfarbe ausgespachtelt und dann sorgfältig verschliffen. Das führt zu einmalig schönen Oberflächen. Das Holzlager mit den Furnieren ist eindrücklich, dort werden Sachwerte gelagert.

Interessant sind auch die Fertigungsabläufe. Man konzentriert sich auf das Wesentliche. Der verantwortliche Mitarbeiter furniert jeweils an einem Tag pro Woche, während dem er sich ausschliesslich dieser Arbeit widmet und dazu kein Mobiltelefon mitnimmt, um nicht gestört zu werden.

Dieses Furnier ist nicht nur edel, sondern auch recht dick. Man verwendet nur erstklassige Qualität bei Blumenhofer.Dieses Furnier ist nicht nur edel, sondern auch recht dick. Man verwendet nur erstklassige Qualität bei Blumenhofer.

Blumenhofer macht alle Holzteile und den gesamten Zusammenbau in der eigenen Fertigung. Die Lautsprechertreiber werden von Zulieferern oft nach eigenen Spezifikationen gefertigt. Das bringt manchmal Probleme mit sich, wenn zum Beispiel eine besondere Membrane von Produzent A gepresst und dann an Produzent B weitergereicht wird. Für das Pressen der speziellen Membrane muss eine Maschine eigens umgerüstet werden.

Mehr Bilder aus der Fertigung finden Sie in der Fotostrecke am Ende des Beitrags.

Thomas Blumenhofer im Gespräch

Thomas Blumenhofer im Gespräch mit Christian Wenger von avguide.ch.Thomas Blumenhofer im Gespräch mit Christian Wenger von avguide.ch.

Thomas Blumenhofer ist kein Mann der grossen, dafür aber er klaren Worte. Andrea Vitali, zuständig für Verkauf und Marketing, wartet mit viel Eloquenz auf. Kompetent sind Sie beide, ohne Frage.

avguide.ch: Warum Hornlautsprecher?

Thomas Blumenhofer: Mein erster Lautsprecher, den ich gebaut habe, war ein Hornlautsprecher. Ich baute ihn für ein Röhrenradio mit 3 Watt, das im Kuhstall aufgestellt wurde. Es wurde unglaublich laut in dem Stall, aber es machte mehr Spass, darin zu arbeiten. Anschliessend baute ich noch das eine oder andere Horn. Dank einem Schulfreund, dessen Vater eine Holzhandlung besass, kam ich an Holz und Werkzeuge. Dann wollte ich die grösste Bassbox der Welt bauen, ebenfalls ein Horn. Sie war so gross wie eine Autogarage, man hörte sie auf mehrere Kilometer Entfernung.

avguide.ch: Wie ging es weiter?

Thomas Blumenhofer: Dann kam ich in den Profibereich hinein. Die ersten 15 Jahre habe ich nur Profi-Anlagen und Auto-Anlagen gebaut. Ich habe kundenspezifische Hornlautsprecher in Konzertsäle und Clubs eingebaut und dann gleich noch die Bands abgemischt. Wochenende für Wochenende. Ich hörte die Bands über die Hornsysteme. Das prägte sich ein. Dagegen klangen andere Lautsprecher wie eingeschlafene Füsse. Ich musste also mit Hornlautsprechern arbeiten.

Dann bauten wir die Genuin 1 für ein Tonstudio. Sie war kompakter als diese grossen Systeme und eignete sich auch für private Anwendungen. Wir dachten, es sei viel zu schade, nur eine einzige zu bauen, und damit begann dann die Serienfertigung für private Musikhörer. Das war vor 15 Jahren. Dann bauten wir weitere Modelle dazu. Das war der offizielle Beginn der HiFi-Lautsprecher, obschon wir das im kleinen Rahmen schon früher gemacht hatten.

Bei den Autos bauten wir für die damaligen VW-Käfer einen Hornlautsprecher mit zwei 3-Zoll-Breitbändern hinter die Rücksitze. Die Form der Öffnung unter einem Loch eignete sich sehr gut. Das war ideal.

Andrea Vitali im Gespräch

Andrea Vitali ist der vitale Repräsentant und Marketingchef von Blumenhofer Acoustics. Andrea Vitali ist der vitale Repräsentant und Marketingchef von Blumenhofer Acoustics.

avguide.ch: Sie machen also nur Hornlautsprecher

Andrea Vitali: Ja, mit wenigen Ausnahmen wie Mini und Midi. Jeder Lautsprecher hat im Minimum ein Hochtonhorn oder ein Basshorn. Komplette Hornsysteme sind kompliziert und sehr gross. Beispiel: Wiki.

avguide.ch: Sind Aktivlautsprecher ein Thema?

Andrea Vitali: Wir können Aktivlautsprecher machen, sie sind aber im Moment nicht für den freien Handel gedacht. Das ist im Moment zu kompliziert aufgrund der Werksgarantie und der Reparatur-Dienstleistungen.

avguide.ch: Könnt ihr euch das für die Zukunft vorstellen? Es gibt ja einen Trend in diese Richtung.

Andrea Vitali: Ja, das können wir uns vorstellen, aber es braucht noch einige Überlegungen betreffend möglicher Exportmärkte und der Einfuhr von Verstärkermodulen von Drittherstellern. Dazu kommt, dass viele Kunden den Klang nach ihren eigenen Wünschen beeinflussen wollen. Bei Aktivlautsprechern würden wir das bestimmen.

avguide.ch: Finden Sie es demokratischer, passive Lautsprecher zu bauen?

Andrea Vitali: Zu dem Thema bin ich Kommunist (lacht)! Nein, jeder soll so können, wie er will. Das ist meine Philosophie. DSP’s wiederum machen mir zu viel mit der Musik, und ich stehe ehrlich gesagt eher auf Röhren.

avguide.ch: Ich würde provokant behaupten, dass viele nicht so recht in der Lage sind, ihren eigenen Klang zu bestimmen und zu beurteilen.

Andrea Vitali: Da gebe ich Ihnen Recht. Aber sie können vergleichen und dann entscheiden, welcher Verstärker ihnen am besten gefällt. Schaltverstärker, Röhrenverstärker oder Transistor. Dann kommt natürlich noch die elendige Kabel-Frage, aber dieses Fass machen wir heute nicht auf (lacht).

Wir brauchen also Händler, die in der Lage sind, den Geschmack der Kunden zu verstehen.

avguide.ch: Gibt es Verstärker, die nicht zu euren Lautsprechern passen?

Andrea Vitali: Unsere Lautsprecher brauchen nicht viel Leistung, und Verstärker mit sehr hoher Leistung passen im Allgemeinen nicht besonders gut. Das hat mit den Verstärkern zu tun, die bei geringer Leistung nicht so gut klingen, wie bei höherer Leistung. Wir hatten an einer Messe in Montreux die Möglichkeit, die effektive Leistung am Lautsprecher bei der Vorführung einer Genuin FS2 zu messen. Sie benötigte 11 Watt bei hoher Lautstärke in einem grossen Raum. Man konnte sich nicht mehr unterhalten, so laut war das.

Das bedeutet, dass wir in normalen Wohnräumen vielleicht 4 Watt benötigen. Die Watt-Boliden sind in diesem Leistungsbereich nicht so geeignet.

avguide.ch: Welches sind die wichtigsten Märkte für Blumenhofer?

Andrea Vitali: China, Deutschland und Italien. Betrachtet man es aber gewichtet gemäss der Bevölkerung, dann ist z. B. in Schweden das Potenzial besser ausgeschöpft als in China. Wir ziehen es aber vor, viele kleine Märkte zu haben und nicht möglichst viel in grosse Märkte zu investieren. Das wäre kommerziell nicht klug.

avguide.ch: Wie geht ihr damit um, dass sehr viele Kunden Lautsprecher von den grossen, bekannten und stark beworbenen Marken kaufen?

Andrea Vitali: Wenn ein Kunde etwas anderes kauft als Blumenhofer, dann ist er selber schuld (lacht).

Anders gesagt: Wenn alle Kunden der "sehr bekannten Hersteller" stattdessen Blumenhofer kaufen würden, dann könnten wir nicht liefern. Wir sind eine kleine Manufaktur und können heute zwei bis drei Paar Lautsprecher pro Tag fertigen. Es liegt noch einiges drin und wir sind zufrieden mit der Entwicklung.

avguide.ch: Was ist eure Geschäftsphilosophie?

Andrea Vitali: Unser Ziel ist im Endeffekt, ein gemütliches Arbeitsleben zu haben. Wir wollen uns in die Richtung bewegen, wo alles überschaubar, kundenfreundlich und arbeiterfreundlich ist. Wir wollen keine richtig grosse Fertigung haben. Wir wollen einfach gut und rentabel arbeiten.

Wir wollen nicht reich werden. Es soll das Gefühl entstehen, dass wir jedes Produkt von Anfang bis Ende gut gemacht haben. So, dass die Lautsprecher 27 Jahre lang einwandfrei funktionieren, wie die in dieser Bar, in der wir gerade sitzen. Sie wurden vor 27 Jahren installiert.

Musikerlebnis

Der beeindruckende Hörraum bei Blumenhofer Acoustics.Der beeindruckende Hörraum bei Blumenhofer Acoustics.

Der Hörraum ist zugleich auch Arbeitsraum und dient nicht allein dazu, Kunden zu begeistern. Hier werden Lautsprecher fertig entwickelt und optimiert – sowohl messtechnisch als auch mit dem Ohr. Das sehr geräumige Dachgeschoss hat eine natürliche Akustik, in der man mit wenigen Watt Leistung grosse Klangkörper in unvergleichlicher Art erleben kann.

Die frisch fertiggestellte Genuin FS1 steht bereit zur Auslieferung an einen Kunden in China, dessen Farbwunsch etwas eigenwillig scheint. Doch die Geschmäcker sind verschieden, und danach richtet man sich gerne.

Wir hörten Musik über diesen Lautsprecher, nicht nur in voller Konzentration, sondern auch nebenbei, von weiter hinten. Dort befindet sich die Lounge, die für Besprechungen genutzt wird. Gerade aus dieser Position entfaltete sich ein wunderbar entspanntes Erlebnis mit Musikern, die real auf der anderen Seite des Raums zu spielen schienen.

Im Epizentrum fiel alles ins Lot. Es war nicht nur ein sehr dynamisches und vollständiges Musikerlebnis, es entstand auch ein überzeugender Eindruck von Vollständigkeit und Reife. Die verschiedenen Lautsprecher, die wir hörten beeindruckten durch ihre Fertigkeit, durch ihre Komplettheit. Wir erlebten einen der seltenen Augenblicke, der nicht geprägt war vom Drang nach differenzierter Beurteilung. Das Ganze überwiegte die ewig lamentierbaren Einzelheiten.

Fazit

Manufakturen wie Blumenhofer sind mit ihrer Passion tatsächlich in der Lage, ganz Aussergewöhnliches zu vollbringen. Was einst in einem Kuhstall begann – und nicht etwa in der sprichwörtlichen Garage – ist heute ein Unternehmen, von dem man auch in Zukunft noch viel hören wird.

Während unseres Besuchs wurde von der Teilnahme an der High End München 2017 gesprochen. Blumenhofer war in den letzten zwei Jahren dort vertreten. Diese Messeteilnahme verkörpert immer eine grosse Investition. Man bezahlt das nicht aus der Portokasse.

Das Geschäft der kundenspezifischen Installationen wird man künftig zurückfahren. Zu gross ist der Arbeitsaufwand bei diesen Projekten mittlerweile geworden. Die HiFi-Lautsprecher, wie man sie nennt, sind besser für das Unternehmen. Viele Kunden können sie kaufen und ihre Träume damit verwirklichen.

Ein letztes Mal schweift der Blick entlang der hohen Regale, wo sich fein säuberlich alte Verstärker, Receiver und Tuner von Marantz, Sansui und Pioneer präsentieren. Die private Sammlung von Thomas Blumenhofer.

Tradition kann der Zukunft Flügel verleihen.

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