Fortschritt ist machbar
Test Vollverstärker Rotel RA-1572

Verstärker, die nach dem Class-AB-Prinzip arbeiten, dürfen als absolut ausgereift gelten. Technische Revolutionen sind hier kaum noch möglich. Dass der Rotel RA-1572 gegenüber seinem Vorgänger klanglich dennoch klar zulegt, hat er vor allem seinem ausgezeichneten D/A-Wandler zu verdanken.
Punkto Bedienung legt der Rotel RA-1572 ebenfalls zu: Auch ohne Verbandelung mit einem markeneigenen Netzwerkspieler soll der Rotel RA-1572 sich (demnächst) bequem per iOS-App und Smartphone/Tablet steuern lassen.
Wie ein Ei dem andern
Äusserlich ist der neue Vollverstärker kaum von seinem Vorgänger RA-1570 (den Test finden Sie hier) zu unterscheiden. So findet sich auf der Vorderseite das Rotel-typisch klare Tastenlayout, das den Zugang zu sämtlichen Funktionen auch ohne Fernbedienung erlaubt. Mittels der vier Knöpfe unterhalb des Volumenreglers greift man auf eine Menüsteuerung zu, über die man das Gerät detailliert auf diversen Ebenen an seine Bedürfnisse anpassen kann. So kann man beispielsweise die Grundlautstärke oder auch die Helligkeit des Displays und der beleuchteten Tasten festlegen.
Marginale Unterschiede finden sich auf der Rückseite: Der Neue verzichtet auf auftrennbare Vor-/Endstufen. Dafür hat ihm Rotel eine fixe Antenne für Bluetooth spendiert. Letzteres versteht sich nun auch mit AptX, der verlustfreien Variante der kabellosen Musikübertragung ab Handy oder Tablet. Geblieben sind fünf analoge Eingänge (Phono und XLR inklusive) sowie fünf digitale Eingänge. Die optischen und koaxialen verstehen sich mit Samplingfrequenzen bis 192 kHz, während USB 2.0 sogar 32-Bit/384-kHz akzeptieren soll.

Ein nettes Extra bildet der rückwärtige USB-Ladeanschluss, an den man beispielsweise einen Google-Chromecast-Dongle anschliessen kann. Dieses winzige, nur rund 50 Franken teure Kästchen erlaubt die App-gesteuerte Wiedergabe von Hi-Res-Audio-Dateien übers Heimnetzwerk. Der RA-1572 versorgt es nicht nur permanent mit Strom, sondern nimmt die Daten auch noch verlustfrei via optischen Digitaleingang entgegen. Eine feine Detaillösung und klanglich überlegene Wireless-Alternative zu Bluetooth.
Punkto Bedienung erweist sich der Rotel als ausgereift. Die Vollfunktionsfernbedienung liegt gut in der Hand, ist übersichtlich gestaltet und erlaubt den Direktzugriff auf alle (!) wichtigen Funktionen.
Wem ein traditioneller Befehlsgeber zu antiquiert erscheint, für den wird Rotel demnächst eine Bedien-App für iOS-Tablets und -Smartphones lancieren. Dazu verfügt der RA-1572 über einen Ethernetanschluss, der die (Steuer-)Integration ins Heimnetzwerk erlaubt. Ausprobieren konnten wir die neue Applikation leider noch nicht.
Sauberes Innenleben

Der mustergültige Innenaufbau des Geräts zeigt Rotel-typisch einen üppig dimensionierten Ringkerntrafo aus eigener Fertigung. Die grossflächige Endstufenplatine ist sauber getrennt unterhalb der Vorstufenplatine platziert. Die beiden diskret aufgebauten Class-AB-Ausgangsstufen sind wohl mehr oder weniger unverändert vom Vorgänger übernommen worden. Die nominelle Ausgangsleistung beträgt nach wie vor 2 x 120 Watt (an 8 Ohm). Spezifiziert wird nun ein Dämpfungsfaktor von 300 (anstelle von zuvor 180). Daraus dürfte eine leicht verbesserte Kontrolle der Basswiedergabe resultieren, sofern man Lautsprecherkabel mit geringem Innenwiderstand verwendet.
Neu entwickelt wurde die Hauptplatine, die neben der eigentlichen Vorstufe (mit Relais-basierter Eingangsumschaltung) auch noch eine aufwendige Digitalsektion beherbergt. Anstelle von Wolfson-WM8740-DAC-Chips wird nun ein Stereo-D/A-Wandler des ebenfalls renommierten Herstellers AKM verwendet (Typ AK4495SEQ). Dieser arbeitet intern mit 32-Bit-Auflösung und verstünde sogar Digitalsignale mit einer Samplingfrequenz von 768 kHz. Die optischen und koaxialen Digitaleingänge sind aber sinnvollerweise auf 192 kHz begrenzt, während über den USB-2.0-Eingang bei Installation des entsprechenden Treibers sogar 384 kHz möglich sind. DSD-Files ab Festplatte werden dann ebenfalls unterstützt (bis 5,6 MHz).

Phono MM wird über eine winzige, mit vier ICs bestückte Huckepack-Platine dekodiert. Mit 2 mV Empfindlichkeit eignet sie sich auch für High-Output-Moving-Coil-Tonabnehmer, die meist etwas weniger Ausgangsspannung aufweisen als herkömmliche Moving-Magnet-Zellen. Letztere haben im Übrigen das Problem, dass sie wegen der (zugunsten der Störfreiheit vorgeschriebenen) hohen Eingangskapazität meist etwas unausgewogen klingen. Unser Versuch mit einem Benz-Glider-High-Output-System zeigte hingegen ein ansprechendes Klangergebnis, das zwar nicht mit dem von dezidierten Phono-Vorstufen mithalten kann, aber für Gelegenheitshörer mehr als ausreicht.
Insgesamt macht das Innenleben des RA-1572 sowohl fertigungstechnisch als auch vom Materialaufwand her einen ausgezeichneten Eindruck.
Klanglich zugelegt
Der Vorgänger RA-1570 war schon ein wirklich guter Vollverstärker, der hohe Erwartungen an die HiFi-Qualität erfüllte. Aus audiophiler Sicht fehlte ihm lediglich etwas Feinzeichnung und Auflösungsvermögen im oberen Frequenzbereich – insbesondere bei der Wiedergabe direkt angeschlossener Digitalquellen. So mochte man ihn nicht unbedingt mit sehr teuren Lautsprechern kombinieren, wie damals der Versuch mit einer B&W 804D ergab.
Insofern waren wir gespannt, ob der Nachfolger hier würde zulegen können und schlossen ihn nach gebührender Warmlaufzeit an eine B&W 805 D3 an. Diese ist mit ihrer Diamantkalotte in der Lage, kleinste Ungereimtheiten im Hochtonbereich schonungslos aufzudecken. Aber auch im Tieftonbereich zeigt die kleine Box erstaunlichen Druck und Tiefgang – zumal im Zusammenspiel mit dem passenden Verstärker.

Zunächst schlossen wir als Musikquelle den neuen CD-Spieler aus der 15er-Reihe von Rotel, den RCD-1572, per Digitalkabel an den RA-1572 an. Der Rotel-Vollverstärker liess sich nicht lumpen und trieb die 805 D3 klaglos zu Höchstleistungen an. Legendäre Rockjazz-Aufnahmen des DMP-Labels erklangen herrlich dynamisch mit sattem, konturiertem Bass und energischem Drive. Auch bei akustischem Jazz (Ahmad Jamal, The Essence) gefiel die rhythmisch packende, vitale Spielweise, die Schlagzeugattacken trotz der brillanten Abstimmung der B&W-Box nie aggressiv rüberbrachte.
Dass CDs über den Digitaleingang des Rotel hervorragend tönen, zeigte sich im Vergleich zur analogen Verbindung: Wandelte der RCD-1572 die Musik, so klang es zwar ebenfalls sehr schön und rund, aber etwas weniger präzise und nicht ganz so luftig transparent. Noch grösser fiel der Unterschied zugunsten des RA-1572 aus, als ein Pioneer PDB-180 bei der CD-Wiedergabe zum Zuge kam. Dieser Blu-ray-/Universalspieler verfügt zwar über einen erstaunlich guten Analogausgang, konnte aber im Test weder mit dem RCD-1572 noch mit dem RA-1572 mithalten – und dies sowohl analog wie digital verbunden. Dies bedeutet auch, dass der RCD-1572 über sehr gute Laufwerkseigenschaften verfügt.
Noch eine ganze Schippe drauf legte der RA-1572 beim Abspielen von Hi-Res-Musikmaterial, das per Notebook und USB 2.0 zugespielt wurde. Hier wurde bereits nach kurzem Hören klar, dass die bekannten Grenzen der digitalen Musikreproduktion keine Rollen mehr spielen. Punkto Natürlichkeit und Stimmigkeit der Wiedergabe blieben nämlich keine Wünsche offen: Man konnte mühelos in die Musik eintauchen und Fragen der Wiedergabetreue für einmal getrost vergessen. So klangen auch einschlägige 24-Bit-Aufnahmen des Chesky-Labels, die wohl gezielt auf ihre audiophile Eindrücklichkeit abgestimmt wurden, für einmal sehr authentisch.
Von der sehr natürlichen Spielweise profitierten hochaufgelöste Klassik-Aufnahmen ebenso: Klangfarben, Obertöne und räumliche Transparenz waren vom Feinsten. Vokalmusik jedweder Couleur ertönte über die B&W 805 D3 in der vollen Pracht, welche diese Boxen dank fortschrittlichem Membranmaterial (Continuum, Diamant) in den Hörraum zu zaubern vermögen.
Fazit
Technischer Fortschritt ist heutzutage vor allem im digitalen Bereich möglich. Dies beweist auch der Vollverstärker RA-1572 von Rotel, der zwar mit altbewährter Class-AB-Verstärkung arbeitet, sich mit seinem neu entwickelten Digitalboard punkto Klangqualität aber deutlich von seinem Vorgänger absetzt. Erfreulicherweise erweist sich der Neuling punkto Ausstattung (Bluetooth AptX) und Bedienung (iOS App) als ebenso fortschrittlich. Somit kann man den RA-1572 sowohl dem eher praxisorientierten Hifi-Anwender wie auch dem audiophilen Nutzer, dem Klangqualität an erster Stelle steht, ans Herz legen.

High-Resolution-Wiedergabe bis 384 kHz Samplingfrequenz
Bluetooth-AptX-kompatibel
Einfache Bedienung
Top-Verarbeitung
Onlinelink:
https://avguide.ch/testbericht/fortschritt-ist-machbar-test-vollverstaerker-rotel-ra-1572