Dompteur
Test Logitech Harmony Ultimate

Erst erfand Gott wunderbare Unterhaltungsgeräte wie Fernseher und Stereoanlage. Doch dann kam der Teufel und stattete jedes davon mit einer eigenen Fernbedienung aus. Deshalb schwelgen wir nicht mehr im Unterhaltungsparadies, sondern suchen permanent die richtige Fernbedienung und fummeln uns darauf durch unterschiedlichste Tastenanordnungen.
Um uns noch mehr zu quälen, funktionieren die meisten Fernbedienungen nur mit Sichtkontakt. Man muss also beim Steuern genau zielen und sich dabei sportlich im Sofa verrenken. Natürlich darf man die teils lieblos designten Elektronikkisten auch nicht hinter einer Kastentüre verstecken.
Harmony – eine für alles
Universalfernbedienungen versprechen, ein Stück vom Paradies zurückzubringen. Bei einfachsten Lösungen steuert dabei ein Fernsteuerknochen abwechslungsweise Geräte verschiedener Hersteller. Man muss also nicht mehr verschiedene Knochen suchen und kann sich mit der Zeit auch blind an eine Tastenanordnung gewöhnen.
Diesen simplen Trick beherrscht auch die Harmony Ultimate von Logitech. Über ein Touch-Farbdisplay kann man jederzeit auswählen, welches Gerät man steuern will.
Doch Logitech Harmony Ultimate ist mehr als ein universeller Fernsteuerknochen. Harmony ist ein Konzept, um Unterhaltungselektronik und Beleuchtung einfach, automatisch und geräteübergreifend mit Fernbedienung, Smartphone oder Tablet zu steuern. Bis aber alles nahtlos funktioniert, muss man in die neue Harmonie doch einige Zeit investieren.
Genüsse statt Geräte

Harmony arbeitet dabei mit Funktionen statt Geräten. Denn beim Medienkonsum muss meist nicht nur ein Gerät bedient werden, sondern es müssen mehrere davon in Kooperation funktionieren. Bereits beim banalen Fernsehen braucht es beispielsweise neben dem TV-Gerät auch meist die Settop-Box des Kabelanbieters wie Swisscom-TV oder UPC Cablecom. Will man Filme mit anständigem Sound geniessen, muss man bereits zur dritten Fernbedienung für Soundbar oder AV-Receiver greifen.
Die Logitech Harmony vereint diese Geräte nun in einer Funktion. Mensch will „Fernsehen“, „Radio hören“ oder „Gamen“, Harmony kümmert sich darum, welche Geräte wie dafür zusammenarbeiten müssen.
Bei der Einrichtung von Harmony muss man nicht nur definieren, wie der Gerätepark aussieht, sondern auch definieren, wie welche Geräte für bestimmte Funktionen interagieren. Das beschert schnell über eine Stunde Arbeit. Als Lohn erhält man aber luxuriöse Unterhaltungsfunktionen, die jedermann und –frau bedienen kann. Geheimisse von HDMI-Ports und Audioeingängen darf man im Harmony-Alltag dann getrost vergessen.
Funk statt Infrarot
Harmony ist der üblichen Fernbedienungssammlung nicht nur funktional, sondern auch technisch überlegen. Denn die Fernbedienung funkt, statt nur mit infraroten Lichtsignalen rumzuflackern.
Die für die Geräte notwendigen Infrarotsignale liefert der Harmony Hub. Er empfängt die Funksignale von Harmony-Fernbedienung oder App und übersetzt sie in Infrarot-Signale. Diese Lichtimpulse werden über zwei kleine, pralinengrosse Sender ausgestrahlt, die kabelgebunden am Hub hängen. Mit einem Hub kann man so Schrank und Gestell mit Infrarotsignalen ausleuchten. Geräte dürfen hinter Abdeckungen verschwinden und lassen sich sogar durch Wände hindurch fernbedienen. Wer komplizierte Geräteanordnungen hat, kann mehrere Hubs installieren.
Harmony in der Praxis

Wie sieht das nun in der Praxis aus? Um die Lösung zu konfigurieren, benötigt man zwingend einen PC (Win/OS X) mit USB-Dose und Internetanschluss. Auf dem Rechner wird als Erstes das Programm MyHarmony installiert und ein Benutzerkonto bei Logitech eingerichtet. Alle Gerätekonfigurationen und Einstellungen werden also im Internet gespeichert.
Dann müssen Harmony-Fernbedienung und Hub einmalig per USB-Kabel an den PC angeschlossen werden. Dadurch werden sie registriert und erhalten die Zugangsdaten für das heimische WLAN. Danach darf man alle Geräte vom PC trennen. Dank WLAN werden inskünftig Konfigurationsänderungen drahtlos zwischen Internet, PC, Fernbedienung, Apps und Hub ausgetauscht.
Über 200‘000 Geräte
Die nachfolgende Konfiguration kann man nun wahlweise an der Fernbedienung, in einer App für Android oder iOS oder am PC vornehmen. Am meisten Komfort bietet dabei der PC.
Um seinen Gerätepark zusammenzustellen, tippt man Marke und Modellbezeichnung ein. Logitech verspricht, über 225‘000 verschiedene Geräte zu kennen. Bereits vor dem Kauf kann man im Internet (http://support.myharmony.com/de/compatibility) prüfen, ob die eigenen Geräte darunter sind. Unbekannte Geräte lassen sich notfalls manuell anlernen.
Wir waren ziemlich verblüfft, dass sich Audio-Komponenten von Sonos sowie ein Chromecast-Stick und ein Apple TV bereits in unserem Gerätepark befanden. Das System durchsucht anscheinend das WLAN automatisch nach bekannten Geräten und fügt diese ein.
TV-Senderliste nach Wunsch

Als Erstes fügten wir unser TV-Modell und die Kabel-TV-Empfängerbox von UPC zum Gerätepark hinzu. Für die Funktion „Fernsehen“ will Harmony nun wissen, an welchem HDMI-Anschluss des TV die UPC-Box hängt. Ferner muss man definieren, welches Gerät für Senderwechsel (UPC) und Lautstärkeregelung (TV) zuständig ist.
Als Nächstes fragte uns Harmony nach Signallieferant (UPC, Swisscom, Satellit) und Wohnort. Daraufhin erscheint eine komplette Senderliste mit Logos.
Für das Touch-Display der Fernbedienung darf man nun die persönlichen Favoritensender mit Logo anordnen. So befreit die Harmony einfach von der abstrusen Sendersortierung, die einem UPC Cablecom normalerweise aufzwingt. Selbstverständlich findet sich die Logo-Oberfläche dann auch in den Apps.
Wer die Logos übrigens nicht mag, findet auf der Webseite http://www.iconharmony.com Tausende weitere Logos, die perfekt für das Harmony-Display angepasst sind.
Zwei Tasten für Alles
Danach konnten wir unsere neue Fernbedienung erstmals testen. Auf dem Display muss einfach „Fernsehen“ angetippt werden, damit das TV-Gerät eingeschaltet und auf den richtigen HDMI-Eingang umgeschaltet wird. Auch die UPC-Box wird aus dem energiesparenden Schlaf geweckt. Lautstärkeregelung und Zappen erfolgt mit gewohnten Tasten, der Senderwechsel mit den Icons macht Spass und auch Sonderfunktionen wie „Aufnahme“ funktionieren tadellos. Mit der Ausschalt-Taste an der Harmony werden alle Geräte ausgeschaltet.
Im nächsten Schritt integrierten wir noch unsere Soundbar in das Szenario. Diese wird einfach als zusätzliches Gerät definiert. Anstelle des TV ist nun die Soundbar für die Lautstärkeregelung zuständig, was im Test problemlos klappte.
Solange wir die Fernbedienung nach Gebrauch auch wieder in die Ladeschale legten, mussten wir sie nicht suchen. In unserem Test hielt der Akku ohne Ladung rund eine Woche bei häufiger Nutzung durch.
Netflixen statt fernsehen

Auch mit modernem Medienkonsum kommt die Harmony zurecht. In unserem Testszenario nutzen wir den Film-Streaming-Dienst Netflix auf der Erweiterungsbox von Apple (Apple TV). Harmony schaltet auch hier alle Geräte automatisch ein und auf die richtigen Anschlüsse um. Die Harmony ersetzt in diesem Szenario auch die Mini-Fernbedienung der Apple-TV-Box.
Netflix auf Apple-TV nervt allerdings, weil man beim Einschalten jedesmal viele Tasten drücken muss, bis die Lieblingsserie bei der zuletzt gesehenen Staffel weitermacht. Das liegt weniger an Netflix, als an der sturen Point-and-Klick-Mentalität von Apple-TV.
Unser nächstes Ziel war, dass Harmony mit einem Tastendruck nicht nur sämtliche Geräte einschaltet, sondern sich auch gleich automatisch durch die Menüs klickt und die Wiedergabe bei der letzten Serienepisode startet.
Für solche Aufgaben kann man die Aktionen für Einschalten- und Ausschalten individuell anpassen. Das Einschaltprozedere musste in unserem Beispiel mit zahlreichen Wartepausen (falls Apple-TV lahmt) und Tastendrücken (Runter-Runter-Enter-Runter-Enter) ergänzt werden.
Das Ganze war eine ziemliche Tüftelei, weil man sich erst die nötigen Tastenbefehle merken und dann diese in den Ablauf einfügen muss. Dafür verwendeten wir die Harmony-App auf einem Tablet, weil sich dort einfach Befehle anpassen und dann gleich ausprobieren lassen. Nach einer drahtlosen Synchronisierung hatten wir unsere Netflix-Taste (inklusive Logo) auch auf der Harmony. Unser Serienspass startet nun auf Knopfdruck, ein zweiter Tastendruck schaltet alles aus.
Tablet statt Harmony
Die Harmony-App verwandelt Tablet und Smartphone (iOS, Android) in eine Harmony-Fernbedienung mit allen Funktionen. Besonders auf einem grossen Tablet ist die Oberfläche dabei sogar übersichtlicher. Die Apps funktionieren im gesamten Empfangsbereich des WLAN, sie lassen sich auf unbeschränkt vielen Geräten installieren.
Zusätzlich funktioniert ein Mobilgerät sogar als Bluetooth-Tastatur, beispielsweise um in Apple-TV Suchbegriffe einzutippen. Harmony übernimmt die Tastatur-Integration automatisch und sorgt dafür, dass die Tastenbefehle jeweils dem richtigen Gerät übermittelt werden.
Integration des Küchenradios

Normalerweise steuert die Harmony alle Geräte, indem der Hub Infrarotsignale aussendet. Doch was passiert, wenn das Radio in der Küche und der Hub in der Stube steht?
Um diese Aufgabe zu lösen, war ein Anruf zur Harmony-Hotline auf der kostenlosen 0800er-Nummer nötig. Fünf Minuten Warteschlaufen-Musikgedudel wurde mit einem deutschsprachigen, kompetenten Supporter belohnt. Um das Problem zu lösen, mussten wir uns einfach bis zu „Einstellungen, Mehr, Fernbedienungen und Hub-Zuweisungen“ durchklicken. Man veranlasst dort, dass die Harmony-Fernbedienung selber Infrarotsignale anstelle des Hubs aussendet. In unserem Test klappte das problemlos.
Der No-Name-HDMI-Umschalter
Weil die verfügbaren HDMI-Anschlüsse am Fernseher nicht für unseren kompletten Gerätepark mit Spielkonsolen ausreichen, geistert auch noch ein No-Name-HDMI-Umschalter hinter dem TV-Gerät herum. Harmony kennt aber keine markenlosen Geräte. Deshalb mussten wir den Umschalter „anlernen“.
Dazu wird die Harmony wieder per USB an einen Rechner angeschlossen. Sie funktioniert dann als Infrarot-Empfänger. Auf der Original-Fernbedienung des Umschalters drückten wir sämtliche Tasten durch, welche die Harmony so lernte. Danach beherrschte die Harmony auch Szenarien, welche Umschaltvorgänge am Switch nötig machen. Sowohl die Spielkonsolen von Sony als auch von Microsoft liessen sich so über die Harmony ein- und ausschalten.
Sonos und Philips-Licht
Erstaunlich ist, dass Multiroom-Musik- Komponenten von Sonos auf der Harmony erscheinen. Die Audiokomponenten haben gar keinen Infrarot-Empfänger, weil es für Sonos keine Fernbedienung, sondern nur eine App gibt. Harmony muss hier also Befehle via WLAN an die Sonos-Komponenten schicken.
Das funktioniert im Test für rudimentäre Befehle wie Lautstärke, Pause und nächster Titel. Komplexe Funktionen wie Internetsenderwahl oder Bibliothekssuche lassen sich so aber nicht erledigen. Dazu muss man also wieder die Sonos-App starten.
Nicht testen konnten wir die Zusammenarbeit mit dem Lichtsystem Hue von Philips. Laut Hersteller kommuniziert die Harmony mit dem LAN-Hub von Hue und kann dann für bestimmte Szenarien Lichter ein- oder ausschalten, dimmen oder deren Farbe ändern.
In den USA bereits angekündigt ist der Harmony Hub Home Extender mit dem sich auch Zigbee und Z-Wave Geräte in der Hausautomation einbinden lassen.
Wehe, wenn sie stolpert

Bringt also die Harmony das Unterhaltungsparadies zurück? Die Antwort lautet: „Oft, aber nicht immer.“ Denn im Alltag erlebten wir auch die nervenaufreibenden Ecken und Kanten der Lösung. Die Harmony verschickt ihre Befehle blind und weiss nicht, ob diese wirklich befolgt wurden. Wenn dabei irgendetwas aus dem Takt gerät, herrscht Chaos. Da hilft es nur noch, alle Geräte via Off-Taste an der Harmony auszuschalten und die Sequenz von vorne zu starten.
Probleme kann es auch aufgrund der in sich geschlossenen Funktionen geben. Wenn man beispielsweise Musik hört und dazu ohne Ton fernsehen will, versagt die Lösung. Die Harmony schaltet nämlich die Musik beim TV-Start automatisch aus. Startet man bei laufendem TV die Musik, geht stattdessen der Fernseher aus. Will man ein solches Stummfilm-TV-Szenario, muss man es explizit erstellen.
Die Harmony erwies sich im Test als mächtig und trickreich. Bei Problemen halfen uns auch zahlreiche deutschsprachige Foren, die viele Tipps bieten.
Herstellervideo englisch
Fazit: Mächtig aber zeitaufwendig

Das System der Harmony One Ultimate bestehend aus Fernbedienung und Hub ist die komfortabelste Lösung, um verschiedene Unterhaltungsgeräte zu steuern. Dass man seinen Park auch kostenlos via App bedienen kann, schafft noch mehr Nutzen.
Standardfunktionen lassen sich mit der Harmony recht schnell einrichten. Will man aber komfortable Automatismen erstellen, muss man sich recht tief in die Steuerungslogik einarbeiten. Freude am Pröbeln ist dann Bedingung.
100-prozentig-fehlerfrei wird die Harmony aber im Alltag selten arbeiten. Dazu ist die Aufgabenstellung mit Steuersignalen für Geräte verschiedenster Hersteller einfach zu komplex.
Nach mehrwöchigem Test möchten aber Mann und Frau im Testhaushalt die Lösung dennoch nicht mehr missen. Komfort macht süchtig, und Einfachheit bewahrt vor Beziehungsproblemen.
Wem übrigens die Harmony Ultimate zu teuer ist, darf auch zur Harmony Smart Control greifen. Dabei verzichtet man aber auf Touch-Display und kann statt maximal 15 nur 8 Geräte steuern.
viele Funktionen und Anpassungsmöglichkeiten
Onlinelink:
https://avguide.ch/testbericht/dompteur-test-logitech-harmony-ultimate