avguide.ch - das Portal für Audio, Video und Foto

Im Zeichen des Sterns

Manger Audio

Publiziert am 07. August 2018 - Lothar Brandt
Daniela Manger mit ihrem Vater Josef Wilhelm Manger (1929–2016). Daniela Manger mit ihrem Vater Josef Wilhelm Manger (1929–2016).

Er hat der Lautsprecher-Welt etwas wirklich Einzigartiges hinterlassen. Josef Wilhelm Manger (1929–2016) war ein Tüftler, wie er im Erfinder-Buch steht. Mit einem «Dickschädel» wie ihn die deutsche Landsmannschaft der Franken (die gehören zwar politisch zum Bundesland Bayern, ansonsten aber sind sie ein sehr eigenes Völkchen) öfter hervorbringt.

Und dank fränkischer Sturheit hat er mit grösstenteils autodidaktisch erworbenen Theoriekenntnissen nach zahlreichen praktischen Rückschlägen und noch mehr finanziellen Opfern einen Schallwandler geschaffen, der seinen Namen trägt: den Manger-Wandler, auch Biegewellen-Schallwandler genannt. Die dazugehörige Firma leitet seit 1990, also schon seit 28 Jahren, seine Tochter Daniela Manger, die als ausgebildete Nachrichtentechnikerin das technische Lebenswerk ihres Vaters fortführt.

Der (unter anderem) 1982 mit der Rudolf-Diesel-Medaille und 1996 mit dem Innovationspreis ausgezeichnete Josef Manger hatte sich schliesslich 1994, mit 65 Jahren, weitgehend aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen. Aber noch bis zu seinem Tod hat er weitergedacht, getüftelt, entwickelt – etwa an Mikrofonen. Daniela Manger kam in die Firma im wahrsten Sinne mit «Learning by doing».

Die älteste von drei Manger-Töchtern war «als Kind immer schon nah dran, oft in der Werkstatt, früh mit den Prozessen vertraut». Dabei bereitete sie sich ursprünglich gar nicht darauf vor, in die Fussstapfen des Vaters zu treten, denn «hätte ich gewusst, wie sich das alles entwickelt, hätte ich sicher etwas wie Mechanik oder Fertigungstechnik studiert. Denn Lautsprecher-Fertigung ist vor allem Mechanik.»

Womit wir wieder beim Besonderen der Manger-Lautsprecher – und auch beim Grund für den Besuch von avguide.ch am Firmensitz im unterfränkischen Mellrichstadt – sind: Manger baut das legendäre Chassis wirklich selbst. Viele Lautsprecherfirmen schwadronieren ja von «eigenen Chassis», die sie aber doch, wenn auch zum Teil nach eigenen Vorgaben, von Spezialisten beziehungsweise kostengünstigen Massenherstellern beziehen.

Alles selbst gemacht

Fertigung einer Schwingspule bei Manger Audio. Fertigung einer Schwingspule bei Manger Audio.

Bei der Firma Manger Audio, die seit drei Jahren in einem schmucklosen Zweckbau am Ortsrand von Mellrichstadt residiert, wurde avguide.ch Zeuge des Entstehungsprozesses und konnte Daniela Manger nur beipflichten in ihrem «hohen Respekt vor Handarbeit». Es nötigt jedem Grobmotoriker und sicher auch vielen Feinmechanikern allerhöchste Ehrfurcht ab, zu sehen, wie etwa die langjährige Mitarbeiterin Sieglinde Rauch die Schwingspule fertigt.

Die Maschine dazu hat zu einem beträchtlichen Teil noch Josef W. Manger konstruiert, die Mitarbeiter haben sie mit zum Teil sehr unkonventionellen Hilfsmitteln weiter perfektioniert. Schliesslich gilt es, zwei gerade mal 0,1 Millimeter starke Aluminiumdrähte gegenläufig zu einer Doppelschwingspule zu wickeln, in der sich die sogenannte Gegeninduktion von der zurückschwingenden Membran gegenseitig aufhebt. Auch das eine Manger-Spezialität.

Das nur 0,4 Gramm leichte Kunstwerk gilt es nun ohne die bei konventionellen dynamischen Wandlern unumgängliche Zentrierspinne exakt ins Zentrum der Membran zu verpflanzen – was wiederum präzise Fingerfertigkeit verlangt. Schliesslich muss man bei Toleranzen von gerade mal acht tausendstel Millimetern (0,008 mm) den optimalen Antrieb gewährleisten. Diesen besorgen 15 kreisförmig angeordnete Neodym-Magnete, die ein Feld von reichlich starken 1,32 Tesla auf einen Luftspalt von nur 0,95 mm Breite konzentrieren. Auch hier steht in den Hallen eine Magnetisiermaschine, die ebenfalls noch Vater Manger gebaut hat.

Bei der Membran selber geht es ebenfalls sehr kraftvoll zu. Mit etlichen Atmosphären Überdruck stampft eine Viersäulenpresse, die den Autor an eine Vinylpresse zur Schallplattenpressung erinnert, aus einem kleinen Puck die flache, vielfach geprägte Scheibe. Das Material ist ein Kunststoff im besten Sinne des Wortes, dessen Zusammensetzung natürlich Firmengeheimnis ist – und auch bleiben soll.

Prägungen und die sich von innen nach aussen leicht verdünnende Stärke dienen dazu, die Oberflächenspannung zu reduzieren. Auch die gezackte, dämpfende Umrandung aus einem dämpfenden Schaumstoff, die auf einer eigens gefertigten Verklebungs-Vorrichtung aufgetragen wird und die dem Manger-Wandler seinen typischen Stern-Look verleiht, dient der akustischen Optimierung.

Das Herzstück

Die 19 Zentimeter-Membran kann fast den gesamten relevanten Frequenzbereich von 80 bis 40'000 Hertz übernehmen.Die 19 Zentimeter-Membran kann fast den gesamten relevanten Frequenzbereich von 80 bis 40'000 Hertz übernehmen.

Die Membran ist das technische und optische Herzstück des Wandlers, der eine Art Solitär in der weiten Welt der Lautsprecher-Typen ist. Gut, vom sprichwörtlichen Sand am Meer dürfte es mehr geben. Doch es gibt immer noch reichlich viele verschiedene Arten von Lautsprechern. Aktiv, passiv, Stand- oder Kompaktlautsprecher, Breitbänder, Zwei-, Drei-, Vier- oder Nochmehrwege-Lautsprecher, Direkt- Bipol-, Dipol- oder Rundstrahler, dynamische, elektrostatische, magnetostatische oder Bändchen-Wandler.

Geht man zurück auf das Prinzip, wie aus den vom Verstärker gelieferten Wechselspannungen wieder Schall, also bewegte Luft erzeugt wird, wird es übersichtlicher. Die mit Abstand meisten Schallwandler sind heute elektrodynamischer Natur: Eine Schwingspule in einem Magnetfeld schwingt im Takt der Wechselspannungen vom Verstärker und regt dadurch eine trichterförmige (Konus, meist für tiefe und mittlere Frequenzen) oder halbkugelförmige (Kalotte, meist für höhere und höchste Frequenzen) Membran zum Schwingen an. Das wiederum bewegt die Luft, so dass Schall entsteht. Dann kommt noch ein Gehäuse drumherum, eine Frequenzweiche davor, und gut ist.

Gar nichts ist gut. Jedenfalls nicht so richtig gut. Josef W. Manger störte das Hin- und Herschwingen der nie ideal kolbenförmigen Bewegungen konventioneller Wandler. Er setzte auf das Prinzip der Biegewellen, die auf einer weichen – alle «normalen» Chassis streben ja nach möglichst steifen Materialen – Membran von innen nach aussen laufen und diese dabei im Takt der Schallwellen verbiegen. Ähnliches passiert, bei einer Wasseroberfläche, nachdem man einen Stein ins Wasser geworfen hat.

Hohe Frequenzen laufen im Inneren der Membran bald aus, tiefe laufen bis zum Rand, wo sie in der sternförmigen Bedämpfung absorbiert werden und kein Unheil mehr durch Interferenzen mit der ursprünglichen Welle mehr anstellen können. Die 19 Zentimeter durchmessende Membran kann dadurch fast den gesamten relevanten Frequenzbereich von 80 bis 40'000 Hertz übernehmen, ohne dass eine Frequenzweiche und unterschiedliche Chassis den für das menschliche Hören so wichtigen Bereich zwischen 2000 und 5000 Hertz teilen müssen – und deshalb immer für Phasenprobleme sorgen.

Bestimmte, für das Erkennen etwa von Instrumenten oder Stimmen sehr wichtige Obertöne werden zeitversetzt zu ihren Grundtönen und ersten Obertönen abgestrahlt, was beim Hörer immer eine indifferente Unzufriedenheit, ein Gefühl «unnatürlicher» Wiedergabe weckt. Das wird beim «Ein-Membran»-Manger-Wandler von vornherein vermieden. Weshalb auch viele Aufnahmestudios gerne auf Mangers als Abhörmonitore zurückgreifen.

Ein weiterer Pluspunkt ist die mit 13 Millionstel Sekunden enorm schnelle Anstiegszeit, was natürlich der Impulswiedergabe dient. Inzwischen dürfte auch dank leichter Schwingspule und starker Magnete der Wirkungsgrad – kleiner Schwachpunkt früherer Generationen – mit 91 dB/W/m in unkritische Bereiche gerückt sein. Ein Manger-Lautsprecher «kann» längst auch mit Röhrenverstärkern, so er nicht sowieso aktiv betrieben wird. Den grösseren Lautsprechern – siehe die Bildergalerie der Manger-Modelle – hilft in den unteren Oktaven ein normaler Konus aus, der mit hochwertig bestückten, natürlich selbst entwickelten Frequenzweichen angekoppelt wird. Diese werden, wie übrigens auch die Gehäuse, zugeliefert. Denn eine eigene Platinen-Bestückung und eine Schreinerei würden dann doch die Kapazitäten des KMU Manger Audio überfordern.

Die Historie

Der erste «richtige» Manger-Lautsprecher, der legendäre «Diskus», erregte damals in Deutschland grosses Aufsehen.Der erste «richtige» Manger-Lautsprecher, der legendäre «Diskus», erregte damals in Deutschland grosses Aufsehen.

Dennoch bleibt eine extreme, selten gewordene Fertigungstiefe und Knowhow-Ansammlung im Betrieb, in dem Daniela Manger vier Menschen (drei in der Fertigung und einen im Büro) sowie zwei weitere «fakultativ» auf den etwa 250 Quadratmetern Firmenfläche beschäftigt. Doch wie kam der Gründer eigentlich auf diese besonderen Lautsprecher?

Nach dem Zweiten Weltkrieg und nach einem dreijährigen Australien-Aufenthalt übernahm Josef Wilhelm Manger von seinen Eltern das Elektro-, später Radio/Fernseh-Ladengeschäft in Arnstein bei Würzburg. Er importierte als einziger in der ganzen Gegend schon in den frühen 1960er-Jahren die berühmten Gitarren und Gitarrenverstärker von Fender, dazu die legendären Amps von Marshall. Auf die war jeder Musiker im heraufdräuenden Beat- und Rockzeitalter scharf – und so entwickelten sich enge Kontakte zur Musikszene.

Dabei schaukelte sich die Unzufriedenheit mit der Musikwiedergabe der damals zeitgenössischen HiFi-Lautsprecher immer weiter auf. Und so begann Josef Manger zu tüfteln, las auch angelsächsische Fachliteratur, brachte sich selbst eine Menge Grundlagen bei und stiess bei den Erfindern des Kolbenlautsprechers, Rice and Kellogg, auf die Anmerkung, dass «die Membran mit idealem Widerstand im Unterschied zum Masse-Feder-Typ der einzige Typ ist, bei dem die ausgeübte elektrodynamische Kraft direkt proportional zur erwünschten Membrangeschwindigkeit ist». Und genau eine solche Membran plus entsprechendem Lautsprecher wollte er bauen. Dazu musste er viele unkonventionelle, verschlungene und stolpersteinreiche Wege gehen. Per «trial and error» suchte und fand er Werk- und Klebstoffe, Masse und Materialien.

Vor exakt 50 Jahren, 1968, bekam er sein erstes Patent auf die Schwingspule. 1972 folgte der Wandler mit der typisch flachen Scheibenmembran. Der erste «richtige» Manger-Lautsprecher, der legendäre «Diskus», erregte erstmals auf einer HiFi-Messe in Deutschland grosses Aufsehen. Dies nicht nur aufgrund der aussergewöhnlichen Form, sondern eben auch aufgrund seiner aussergewöhnlichen Technik.

Um die Produkte «an den Mann» zu bringen, fehlte es dem konfliktfreudigen und meinungsstarken Franken zuweilen an diplomatischem Geschick und Fingerspitzengefühl. Aber, so ist seine Tochter Daniela, die oft genug schon in ihrer Jugend vermittelnd eingreifen musste, überzeugt: «Wenn diese Idee in einer grösseren Firma geboren wäre, wären wir heute nicht da, wo wir stehen.»

Gegenwart und Zukunft

Die Idee ist tragfähig, auch für die Zukunft. Mit ihrem Firmeneintritt optimierte Daniela Manger erst einmal die Fertigung und trimmte sie auf das jetzt enorm hohe Niveau. Nicht zuletzt galt es auch das Kaufmännische auf geraden Kurs zu bringen. Lakonisch resümiert sie die wirtschaftliche Lage nach dem Tode des Vaters: «Wir mussten uns um kein Erbe streiten.»

Das Prinzip des Biegewellen-Schallwandlers ist heute weitgehend ausgereizt, Forschung und Entwicklung gelten den «Rand»-Bereichen wie etwa den noch stärkeren Antrieben.

Daniela Manger, die noch heute jederzeit in der Fertigung einspringen kann und auch ab und zu 40 Kilogramm schwere Boxen auf den Messestand hievt, hat übrigens ein höchst pragmatisches Verhältnis zur Messtechnik. So ist im Firmengebäude noch immer die Eck-Box zum Montieren der Chassis zu sehen, die ihr Vater einst ersann – und gemessen wird noch immer mit dem schon betagten Acoustical Measurement System MLSSA, ganz «einfach, weil es funktioniert».

Möglicherweise entwickelt die Chefin, die übrigens ihre Diplomarbeit im Bereich Hörgeräte-Akustik geschrieben hat und beinahe bei einem renommierten Schweizer Hersteller gelandet wäre, irgendwann einen kleineren Manger-Wandler für kleinere Lautsprecher. Doch das ist noch Zukunftsmusik. Stolz auf das im Zeichen des Sterns Erreichte ist die umtriebige Inhaberin mit Recht, denn «du hast ein Produkt, das weltweit einzigartig ist».

Weitere Informationen zu Mangeraudio:
Homepage Mangeraudio
Schweizer Mangervertrieb
Fachhändler Mangerlautsprecher

Manger Lautsprecher Hören am Klangwerk Event vom 30.11/1.12.2018 in Zürich!

Onlinelink:
https://avguide.ch/magazin/im-zeichen-des-sterns-manger-audio