Surrounded – Teil 1
Alle Surroundsound-Formate im Überblick

Alles begann mit Stereo
Seit den 1950er-Jahren gibt es Virtual Reality im Audio-Bereich. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Stereo-Wiedergabe erfunden. Erstmals war es möglich, die Musik bei der Wiedergabe zumindest auf einer Achse zu verteilen. Zu Beginn wurde diese Möglichkeit von den Tontechnikern rege genutzt, um die Vorzüge jedermann bekannt zu machen. So war es nicht selten, das einzelne Musikinstrumente und sogar Stimmen komplett auf links oder rechts abgemischt wurden. Die Möglichkeit einer authentischen Raumabbildung – beispielsweise eines Orchesters – wurde erst später intensiv genutzt.
Dolby Stereo
1975 kam Dolby mit dem Dolby-Stereo-Format in die Lichtspielhäuser. Eigentlich ein analoges 2-Kanal-Format, das neben dem Bild als Licht-Ton-Format mit auf den Film kopiert wurde. Durch das matrixartige Codieren fanden aber in den zwei Tonspuren insgesamt vier Kanäle Platz. Wobei folgendermassen codiert bzw. decodiert wurde: gleicher Pegel und gleiche Phase entspricht dem Center-Kanal, gleicher Pegel sowie umgekehrte Phase entspricht dem Rear-Kanal. Das 4.0-Surroundsystem war erfunden und ermöglichte erstmals auch rückwärtige Soundeffekte, wenn auch nur mit einem Kanal.

Dolby Digital

Ich erinnere mich noch genau an den ersten Test eines Dolby-Digital-Receivers, den ich in meinen jungen Jahre bei der Zeitschrift «SOUND» machen durfte. Es war um 1996 und ich hatte das Privileg, den brandneuen Yamaha-Receiver testen zu dürfen. DVD-Spieler gab es zu dieser Zeit noch keine, doch in der Redaktion hatten wir einen Laserdisc-Spieler, der über die AC-3-RF-Schnittstelle die diskreten 5.1-Kanäle übertragen konnte. Das Ergebnis war auf jeden Fall sehr überzeugend, die viel bessere Kanaltrennung war deutlich wahrnehmbar.
Damit wären wir bei einem der bis heute verwendeten Surround-Formate angelangt, bei Dolby Digital. Im Urformat sind insgesamt sechs Kanäle vorhanden, drei für vorne, zwei für hinten und einen für die ganz tiefen Töne – sprich für den Subwoofer. Im Unterschied zu allen analogen Vorgängerformaten sind bei Dolby Digital die zusätzlichen Kanäle nicht in einem Stereosignal codiert, sondern eben diskret, sprich einzeln, vorhanden.
DTS
DTS (Digital Theatre Sound) sorgt wie auch Dolby in den grossen Kinos für guten Sound und brachte im selben Zeitraum auch ein 5.1-Format in die heimischen Kinos. Die Kanäle sind wie bei Dolby Digital in drei Front-, zwei Rear- und einen Subwoofer-Kanal – im Fachjargon LFE (Low Frequence Effects) – aufgeteilt. Wegen der geringeren Kompressionsrate war (und ist) DTS bei vielen Filmliebhabern die erste Wahl. Sie lesen richtig: Während sich im Stereo-Bereich MP3 erst ein paar Jahre später etablieren konnte, war seit der Einführung der beiden digitalen Surround-Formate die Komprimierung des Tons bereits ein Standard.

Dolby Digital Surround EX und DTS ES
Als Folge davon, dass George Lucas mit seinem Anforderungskatalog THX die hohe Soundqualität in den Kinos zu etablieren versuchte, sind die 6.1-Surround-Formate entstanden. Zuerst als THX Surround EX, später als Dolby Digital Surround EX. Der zusätzliche Kanal ist als Center für hinten gedacht. Dieser war kein diskreter Kanal, sondern wurde auf beiden vorhandenen Rückkanälen aufmoduliert. Mit «Star Wars Episode I: The Phantom Menace» kam der erste 6.1-Film in die Kinos.
DTS ist dann mit seinem Format DTS ES 6.1 nachgezogen – so herrschte wieder Gleichstand zwischen den beiden (Heim-)Kinoton-Konkurrenten. THX ist kein eigener Tonstandard, sondern legt nur Spezifikationen fest, welche die Geräte bzw. Lautsprecher erfüllen müssen, um das begehrte THX-Logo zu erhalten. Will nicht heissen, dass Geräte und Schallwandler ohne THX-Logo automatisch schlechter klingen. Es möchten nicht alle Hersteller die Lizenzgebühren bezahlen für etwas, das ihre Produkte ohnehin schon erfüllen.
DTS brachte kurz darauf das Format DTS ES discrete 6.1 in den Handel, das effektiv 7 diskrete Kanäle aufwies und so seinem Konkurrenten Dolby eine Nasenlänge voraus war.

Stereo Upmixer
Um die Jahrtausendwende waren noch immer die meisten Quellen – mit Ausnahme der DVD – nur im Stereo-Format vorhanden, allen voran das analoge Fernsehen. Da sich viele Konsumenten aber an die gute Surround-Kulisse der DVD gewohnt hatten, brachten sowohl Dolby wie auch DTS neue Upmixer auf den Markt, welche aus zwei vorhandenen Kanälen ein echtes Surround-Erlebnis erzeugen: Dolby Surround ProLogic II und DTS Neo:6. Diese Algorithmen können aus zwei Kanälen ein 7.1-Format erzeugen, sodass der Abstand zu den digitalen Quellen wieder etwas kleiner wird.
Es folgten später noch zwei Upgrades bei den Upmixern. 7.1-Kanäle kamen mit zwei Back-Surround-Lautsprechern (Dolby ProLogic II x bzw. bei DTS ohne Namensänderung) und im Jahre 2009 erschienen dann Dolby ProLogic II z und DTS neo X. Hinzu kamen virtuelle Höhenkanäle: bei Dolby zwei und bei DTS gleich vier Stück davon. Beide Formate haben sich nicht richtig durchgesetzt, wohl, weil es eben keine echten (diskreten) Kanäle waren.
Die Upmixer können natürlich auch eingesetzt werden, um 5.1-Kanäle auf 7.1-Kanäle oder mehr zu erweitern. Ein Grossteil der älteren Filme auf DVD sind im 5.1-Format abgemischt. Wenn schon zwei Surround-Back-Kanäle vorhanden sind, macht es Sinn, diese nicht ungenutzt zu lassen. Auch wenn die Kanäle nur «errechnet» werden, profitiert der Surroundsound in der Regel merklich davon.
Dolby True HD und DTS HD Master Audio
Wer nun denkt, bei den Surround-Formaten sei nun das Ende der Fahnenstange erreicht, der irrt. Mit der Einführung der Blu-ray-Disc und der nicht weiterentwickelten HD-DVD wurden die Surround-Formate verlustfrei. Bis anhin wurden alle digitalen Formate zwar mit diskreten, aber zugleich komprimierten Kanälen aufgezeichnet. Nun bot die vielfach höhere Kapazität der HD-Scheiben die Möglichkeit, auch für den Ton mehr Platz zu sichern. Dies veranlasste die beiden Tonformat-Konkurrenten, neue Lösungen zu entwickeln: DTS HD Master Audio und Dolby True HD waren geboren.
Bei beiden Formaten werden die Daten und nicht der Ton komprimiert, ähnlich wie das bei einem Flac-Format passiert. Wie bei einem auf dem Computer verwendeten ZIP-Format werden redundante Daten zusammengefasst und ermöglichen so kompaktere Dateien, ohne dass etwas verloren geht. Die Platzersparnis liegt so bei rund 40 Prozent. Zugleich nutzen beide Systeme 24 Bit mit einer Abtastrate von bis zu 192 kHz (bei Stereo), was einer Highresolution-Qualität entspricht.
Zeitgleich schickten die beiden Lizenzgeber je noch eine «Light»-Version auf den Markt: DTS HD High Resolution und Dolby Digital Plus, die mit einer geringeren Anzahl Kanäle und einer tieferer Abtastrate mit maximal 96 kHz ausgestattet sind.
Die dritte Dimension

Während für viele Zeitgenossen bzw. Zeitgenossinnen schon fünf Lautsprecher eine gewisse Disharmonie in die Beziehung bringen kann, können eingefleischte Heimkinopersonen nicht genug davon kriegen. Zwar ist das Schauen von 3D-Filmen einmal mehr grandios gescheitert, nicht aber der 3D-Kinoton! Zu den beiden bekannten Gesichtern im Surroundton-Bereich ist nun mit Auro ein dritter hinzugekommen. Auro 3D, Dolby Atmos und DTS:X sind die drei Formate, die in die Höhe gehen. Dolby Atmos und DTS:X sind sich vom Aufbau her ähnlich und besitzen keine fest definierte Anzahl Kanäle, sondern funktionieren objektbasiert. Mit anderen Worten gesagt: Den verschiedenen Tonobjekten werden X-, Y- und Z-Koordinaten zugeordnet. Der Toningenieur kann jedem Tonobjekt einen Ort im virtuellen Raum zuweisen und erst der Decoder im AV-Receiver errechnet für die effektiv vorhanden Kanäle die korrekte Tonausgabe.
Der grosse Vorteil bei diesem Verfahren liegt darin, dass es nur eine Tonabmischung benötigt, egal, wie viele Kanäle dann im Kino oder zu Hause zum Einsatz kommen. Daher ist es für das Dolby-Atmos- und DTS:X-Setup wichtig, dass nicht nur die korrekte Anzahl der Lautsprecher angegeben wird, sondern auch, wo sich diese befinden. Übliche Kanal-Layouts sind 5.1.2 und 7.1.4, wobei die erste Ziffer die «normalen» Surround-Kanäle darstellen, die zweite Ziffer den LFE-Kanal und die dritte die Anzahl Höhenkanäle. Aktuelle Top-Vorstufen bzw. -Prozessoren können bis zu 35 Kanäle verarbeiten! Die gute Nachricht ist, dass Dolby Atmos und DTS-X vom Lautsprecher-Layout her kompatibel sind. Es wird dabei unterschieden zwischen echten Deckenkanälen und Lautsprechern, welche indirekt von unten zur Decke hin strahlen.
Auro 3D, das zur belgischen Barco-Gruppe gehört, geht einen eigenen Weg. Die Anzahl Kanäle (max. 13.1) ist vorgegeben. Ebenso weicht die Anordnung gegenüber Dolby und DTS ab. Zum klassischen 5.1-Layout kommen nochmals fünf Lautsprecher genau oberhalb der normalen Surround-Lautsprecher hinzu und je nachdem kommt noch einer genau in der Mitte der Decke dazu, der die sogenannte «Voice of God» verkörpert. Wegen der unterschiedlichen Anordnung ist das Auro-3D-Format nicht so verbreitet wie seine beiden 3D-Konkurrenzformate. Es gibt auch softwareseitig nicht sehr viel Material, das eine Auro-Codierung aufweist.
Da nun wiederum mehr Lautsprecher im Heimkino verteilt sind, haben Dolby und DTS auch bei den Upmixern neue Versionen am Start. Es ist einfach schade, wenn Lautsprecher stumm vor sich hin vegetieren. Die neuen heissen DTS Neural:X und Dolby Surround. Doch halt, hatten wir das nicht schon? Entweder sind keine brauchbaren neuen Namen mehr herausgekommen oder Dolby hat sich gedacht, so wird alles wieder etwas einfacher. Einfach Dolby Surround. Warum nicht?

Wie viele Kanäle brauche ich?
Auf diese Frage werden wir im Folgeartikel im Detail eingehen. Vorab so viel: Ein gut aufgesetztes 5.1-Surround-System bietet auch heute noch ein gutes Kinoton-Erlebnis. Es ist wie bei den Megapixeln der Digitalkameras: Noch mehr Pixel bedeutet nicht ein besseres Bild. Vielmehr ist das verwendete Objektiv entscheidend. So ist es auch beim Ton: Nicht nur die Anzahl der Kanäle ist wichtig, sondern auch die Lautsprecher und das korrekte Platzieren entscheiden über guten Surround-Sound!
Onlinelink:
https://avguide.ch/magazin/alle-surroundsound-formate-im-ueberblick-surrounded-teil-1