Eine Klasse für sich
Test Vollverstärker SU-G700 von Technics

Technics bietet den Grand Class SU-G700 in der Schweiz für 2390 CHF an und kratzt in Europa an der 2000-Euro-Marke. Das ist sehr wenig für einen Vollverstärker dieser Klasse und eine Steilvorlage für die Konkurrenz. Keineswegs aber nur im Vergleich zu den Major Brands. Der Amp dürfte auch den audiophil positionierten Manufaktur-Marken das Fürchten lehren.
Wer mit einer hochwertigen Gehäusekonstruktion aus Stahlblech leben kann und sich nicht in jedem Detail um die Herkunft und das Prestige von Elektronik-Komponenten und elektromechanische Stecker-Preziosen schert, der dürfte sehr überrascht sein und einiges dazulernen. Überhaupt macht dieser Verstärker auf den ersten Blick einen hervorragend pragmatischen Eindruck, und zwar mit eigener Technologie.
Gerade damit hat mancher kleine Hersteller im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung von Musikwiedergabe seine liebe Mühe. Im wichtigen Sektor der DA-Wandler muss oft auf Standard-Lösungen von Drittanbietern zurückgegriffen werden. Die Manufakturen sind stark, wenn es um Klangdesign geht, aber mit Tüfteln allein beherrscht man die Verarbeitung digitaler Datenströme nicht. Genau darum aber geht es heute. Die Mathematik macht den Klang.
Bei unserem Test interessierten mich zwei Dinge am meisten: Wie klingt dieser industriell perfektionierte Amp im Vergleich zu audiophilen Preziosen mit ähnlicher Leistung, und was für Lautsprecher, egal wie gross oder teuer, kann man damit befeuern.
Um dies herauszufinden, wurde der Grand Class SU-G700 (im Unterschied zu anderen Tests) quasi zum kostengünstigsten Glied der viel zitierten Wiedergabekette. Ich verwendete sogar Lautsprecherkabel, die teurer sind als der Verstärker und mit den Genuin FS1 von Blumenhofer Lautsprecher, die mit 30'000 CHF pro Paar den Rahmen ganz eindeutig sprengen. Ich wollte aus Erfahrung mit Technics einfach die Grenzen einmal ausloten.
Die Ergebnisse sind ganz erstaunlich.
Der moderne Vollverstärker

Technics grenzt die Funktion des Vollverstärkers eher konservativ ab. Es gibt keinen Netzwerkanschluss. Also nicht halb Verstärker, halb Zuspieler. Dafür verarbeitet der DA-Wandler mit seinem JENO-Engine Jitter-optimiert via USB-B, PCM bis 384 kHz, 32 Bit und DSD 2,8 MHz, 5,6 MHz, 11,2 MHz mit Asynchronous Transfer Mode.

Das Schaltnetzteil oder Hybridnetzteil ist in einer eigens dafür gebauten Kammer untergebracht und verschliesst sich dem Betrachter gänzlich. Die Zeiten der grossen Ringkern-Trafos und der pfundigen Elektrolyt-Siebkondensatoren scheinen allerdings vorbei zu sein, bei Technics und auch andernorts. Allerdings deutet der Begriff "Hybrid" auf eine Verbindung von Schaltnetzteil und analogem Netzteil hin.
Das wird insofern angedeutet, als dass sich die Schaltfrequenz bei Lastschwankungen nicht verändert. Eine feste Schaltfrequenz mindert Rauschanteile. Die Lastschwankungen werden aber durch Kondensatoren kompensiert. Daher der Begriff Hybridnetzteil.
Unter der Blechhaube stehen 2 x 70 Watt an 8 Ohm bereit und das Doppelte bei 4 Ohm.
LAPC = Load Adaptive Phase Calibration

Da die Impedanz eines Lautsprechers zum Teil erheblich frequenzabhängig variiert, steuert der Verstärker die Lautsprecher ohne Beeinflussung durch deren Eigenschaften. Konventionelle Schaltverstärker sind jedoch über ein Tiefpassfilter an die Lautsprecher gekoppelt, um die Schaltfrequenz herauszufiltern. Das macht die Schaltverstärker anfällig auf die Impedanzeigenschaften der Lautsprecher und kann sich je nachdem erheblich auf die Linearität und das Phasenverhalten auswirken.
Technics entwickelte einen Optimierungsalgorithmus, der eine Anpassung an das Impedanzverhalten der Lautsprecher vornimmt. Die ideale Impulsreaktion wird per digitaler Signalverarbeitung korrigiert, indem die Frequenz-, Amplituden- und Phaseneigenschaften des Verstärkers bei angeschlossenen Lautsprechern gemessen werden. Diese neue Technologie ermöglicht einen linearen Frequenzgang und berichtigt Phasenverschiebungen. Das verbesserte Zeitverhalten führt zu einer besseren räumlichen Darstellung des Klanggeschehens.
Vereinfacht erklärt, sieht die Endstufe quasi, wie sie auf eine veränderliche Last reagiert und hält wirkungsvoll dagegen, wenn das Phasenverhalten aus dem Ruder läuft. Daraus wäre abzuleiten, dass sich der SU-G700 für viele Lautsprecher eignet.
Die Testküche

Der Technics durfte sich an Lautsprechern von Blumenhofer behaupten. Darunter die grosse Genuin FS1, die kleinere Genuin FS3 und die wohnraumfreundliche Tempesta 17. Letztere wäre am ehesten der Lautsprecher, den man hier verwenden würde. Da jedoch die Genuin FS1 trotz gutem Wirkungsgrad über einen Basstreiber von biblischen Ausmassen verfügt, musste ich sie einbeziehen, um den Aspekt der Basskontrolle auszuleuchten.

Der Lavardin IS-X Réference ist bezüglich Leistung mit 2 x 50 Watt (8 Ohm) knapp vergleichbar mit dem Technics und erfahrungsgemäss ein exzellenter Zuspieler für das Blumenhofer-Trio. Er kostet das Doppelte wie der Technics und verfügt lediglich über analoge Eingänge. Die Lautstärkenfernbedienung kostet extra. Damit entsteht ein interessanter Vergleich des Technics mit einem durch und durch audiophilen Vollverstärker eines motiviert-verschrobenen Verstärker-Spezialisten.
Die grosse Stereo-Endstufe von Sauermann ist an den Genuin LS1 eigentlich das Mass der Dinge. Die Endstufe ist Geheimtipp und Antithese zugleich. In Kombination mit der Valvet Soulshine-Vorstufe erreicht die Endstufe mit dem ausgelagerten Netzteil nach einer Stunde eine stabile Btriebstemperatur von 62°C.
Als Quellen dienten verschiedene Plattenspieler, darunter der Technics SL-1210GR und der Blackbird von Dr. Feickert Analogue. Die digitalen Zuspieler waren der MAN301Server von Weiss via S/PDIF (co-axial) und der Aurender N100H via USB.
Kabel von Absolue Créations.
Hörerlebnis

Der Technics war in der Lage, die übergrosse Genuin LS1 mit ausreichend präziser Basskontrolle auch bei wirklich hohen Pegeln anzutreiben. Es gab wenig relevante Abstriche und schon gar nicht bei realen Wohnraumverhältnissen. Das Hybridnetzteil des Technics ist ein Wurf und liefert hohe Spitzenströme. In dieser Disziplin performte der Technics leicht besser als der Lavardin. Bei den "kleineren" Lautsprechern ergeben sich keine negativen Abweichungen.
Die räumliche Abbildung war punkto Definition, Grössenverhältnisse, Panorama und Raumtiefe mit dem Technics umwerfend gut. Ein eindeutiger Hinweis darauf, dass dieser Vollverstärker die Phasenverhältnisse über das gesamte Frequenzspektrum korrekt wiedergibt. Diese durch den Hörraum von 70 m2 und optimierte Akustik ermöglichte, riesige Klangbühne erlebte keine Einengung und keine diffusen Zonen. Die grossen Mitspieler auf der Bank konnten hier nichts hinzufügen, was in irgendeiner Weise nennenswert wäre.
Die Klangfarben sind am wenigsten rational zu bewerten. Mein Hörgeschmack tendierte etwas mehr in Richtung Lavardin, welcher punkto Musikalität ein Plus verzeichnen konnte, allerdings auch ein wenig auf Kosten der Auflösung und des Detailreichtums. Der Lavardin war für mich noch besser im Lot und der Technics löste ein wenig besser auf. Ohne den Lavardin wäre ich extrem happy mit dem Technics und wenn ich den Vorhang vor die Geräte gezogen hätte, wäre ich wohl auch noch des Öfteren Opfer meiner "Vorurteile" geworden.
Der Sauermann mit Valvet-Vorstufe war eine kleine Klasse für sich, aber keine Grosse, und das ist bei dem Aufwand und den Preisunterschieden genauso irrelevant wie verblüffend – zugunsten des Technics.
Die eingebaute MM-Phono-Vorstufe des Technics spielt ebenfalls sehr gut, vor allem mit dem Technics-Plattenspieler. Das ist eine gute Nachricht. Es klingt prima mit MM-Tonabnehmern, und das erwarte ich von einem Vollverstärker, der nicht bloss dem Vinyl-Boom frönt, sondern auch auf Qualität setzt.
Fazit
Der Technics Grand Class SU-G700 hat ein so grosses Klangpotenzial, dass er seiner Bestimmung eigentlich nicht gerecht wird. Er wird in Realität vermutlich mit Lautsprechern betrieben werden, die ihn gar nicht verdienen, die seine vollständige Entfaltung quasi verhindern.
Wenn Sie aber den Mut haben sollten, diesen Vollverstärker ganz unabhängig von Ihrem Klassendenken einzusetzen, dann bleibt Ihnen möglicherweise einfach die Spucke weg. Vielleicht können Sie sich diesen Verstärker leisten und teurere Modelle nicht. Sollte das der Fall sein, dann treffen Sie vermutlich die richtige Entscheidung aus der Not heraus. Wenn kümmert's?
Das war eben eine Kaufempfehlung.
Onlinelink:
https://avguide.ch/testbericht/eine-klasse-fuer-sich-test-vollverstaerker-su-g700-von-technics