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Publikationsdatum
21. April 2003
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Dass man Lärm mit Lärm bekämpfen kann, tönt absurd. Den Teufel etwa mit dem Beelzebub austreiben?

Und doch ist es so, dass heute viele Piloten zur störungsarmen Kommunikation Kopfhörer mit einer sogenannten "aktiven Lärmkompensation" benutzen, die nichts anderes macht, als den Umgebunglärm nochmals zusätzlich, aber sogenannt "gegenphasig" in den Gehörgang zu pumpen.

Das tönt brutal, ist es aber nicht. Ganz im Gegenteil, das ist Wellness für die Ohren.

Wie funktioniert eine Schallauslöschung?

Stellen wir uns vor, ein einzelner Schallwellenimpuls drücke auf das Trommelfell eines Piloten. Würde man gleichzeitig diesem Gehör einen Impuls zuleiten, welcher das Trommelfell herausreissen möchte, also gegenphasig ist, würden sich die beiden Schallwellen schwächen oder im Idealfall sogar auslöschen. Das Trommelfell bliebe dann in seiner Ruhelage und Ruhe wär.

Kompensation der Lärmschwingungen

Wie sich Schwingungen gegenseitig auslöschen können, zeigt das Diagramm.

Die obere Kurve stellt die Lärm-Schwingung dar, die mittlere die künstlich erzeugte Antischall-Schwingung.

Während die obere Kurve zu Beginn in den positiven Bereich ansteigt, macht die mittlere genau das Gegenteil und geht in den Minus-Bereich. Die Antischall-Schwingung ist somit zur Lärm-Schwingung gegenphasig. Prallen die beiden Schwingunge aufeinander, so löschen sie sich aus.

Das Resultat, ist der rote Strich. Er bedeutet: Keine Auslenkung und damit auch kein Schall.

Antischall, eine alte Idee

Prinzip der aktiven SchallkompensationPrinzip der aktiven Schallkompensation
Bereits 1933 meldete Paul Lueg das Prinzip der aktiven Lärmbekämpfung zum Patent an, bei welchem künstlich erzeugte Schallwellen dem unerwünschten Geräusch gegenphasig überlagert werden.

Der Erfinder erntete jedoch weder Ansehen noch konnte er finanzielle Erfolge verbuchen. Massive Streitigkeiten mit den Wehrmachtsbehörden machten ihm das Leben schwer.

Leider blieb ihm eine angemessene technische Umsetzung auch wegen des damaligen Mangels an elektronischen Möglichkeiten versagt.

Wie das Prinzip im Computerzeitalter dann realisiert wurde, zeigt ein bei Saab durchgeführter Versuch.

Das "stille" Flugzeug

In einem Saab Turboprop-Flugzeug vom Typ 340 B Plus montierte man insgesamt 72 Mikrofone, die den Lärm im ganzen Flugzeug aufnahmen.

Dieses Signal wurde anschliessend zu einem schnellen Computer geleitet, welcher ein Korrektursignal errechnete.

Angetrieben von 900 Watt (!) Verstärkerleistung beschallten 36 Lautsprecher die 30 Sitzplätze mit einem Gegenschallfeld, so dass das typische Propellergeräusch fast vollständig verschwand. Aus Kostengründen wurden diese aufwändigen Versuche nicht weitergeführt.

NoiseGard

Gerade bei tieffrequenten Motorgeräuschen funktioniert die aktive Lärmkompensation gut.
Gerade bei tieffrequenten Motorgeräuschen funktioniert die aktive Lärmkompensation gut.
1984 entwickelte der deutsche Elektroakustik-Spezialist Sennheiser das für den Linienverkehr optimierte NoiseGard-Prinzip und nimmt seither dem Flugverkehr einen seiner grössten Störfaktoren: Motoren- und Windgeräusche.

Zusammen mit ohrumschliessenden Kopfhörern, die den hochfrequenten Lärm "ausschalten", lässt sich tieffrequenter Fluglärm mittels NoiseGard um bis zu 80% verringern.

Das erhöht die Konzentration der Piloten, fördert die Sprachverständlichkeit und die Sicherheit. Hörschäden wird effektiv vorgebeugt.

Doch wie steht es mit Produkten für den Konsumenten? Wer hätte sich nicht schon im Flugzeug, im Auto, oder neben einem brummenden Schiffsmotor eine portable Soundanlage mit einem Lärmkiller gewünscht?

Lärmkiller im Miniformat

Ein solches Produkt gibt es nun brandneu auf dem Markt: Es ist das Kopfhörersystem PXC 250 von Sennheiser mit integriertem NoiseGard, welches zu einem volkstümlichen Preis von knapp 200 Franken über den Ladentisch geht.

Das System funktioniert nach der klassischen Art: Über winzige Mikrofone wird der Störschall aufgenommen. Dieses Signal wird über Verbindungskabel zu einer kleinen Elektronikeinheit geleitet. Dort wird das Signal für das Gegenschallfeld produziert, welches anschliessend zum Hörer gelangt.

Die abschaltbare Elektronikeinheit wird von zwei AAA-Minibatterien gespeist und bildet mit dem Hörer über Kabel eine Einheit.

Der mit einer patentierten Falttechnik versehene Mini-Kopfhörer und die Antischall-Elektronik-Einheit haben bequem in einer kleinen, mitgelieferten Tasche Platz.

Interessant ist, dass auch ohne Musik, der Umgebungslärm drastisch reduziert wird, wenn der Kopfhörer mit eingeschaltetem NoiseGard aufgesetzt wird.

Guter Sound

Die Klangqualität des ultraleichten, locker am Kopf sitzenden Hörers ist bei ausgeschaltetem NoiseGard sehr gut. Es lässt sich nicht nur Rock- und Pop-Musik, sondern auch anspruchsvolle Klassik geniessen.

Schaltet man die Antischall-Elektronik ein, verschlechtert sich der Klang geringfügig. Er wirkt dann etwas dünner und geringfügig verfärbt. Doch diese tolerable Klangeinbusse steht in keinem Verhältnis zur Reduktion des Umgebungsgeräusches.

In einer ruhigen Umgebung schaltet man das NoiseGard mit (Klang)-Vorteil somit am besten aus und schont dabei erst noch die Batterien.

Bose QuietComfort2

Der Bose QuietComfort 2 ist ein relativ teurer (748.-) aber sehr hochwertiger geschlossener Kopfhörer mit aktiver Lärmkompensation
Eine sehr gute Klangqualität mit einem brillant anspringendem Klangbild bietet der Bose QuietComfort 2.

Als geschlossenes System dämpft es Umgebungslärm auch in mittleren und hohen Frequenzen.

Die ganze Miniatur-Elektronik und die Batterie sitzen im relativ leichten Hörer.

Tests in avguide

Unter folgendem Link
Test Sennheiser PXC250
erhalten Sie Zugriff auf einen Test über das Sennheiser PXC 250 Kopfhörersystem

Einen Test über den Bose QuietComfort 2 können Sie unter folgendem Link lesen Kopfhörer mit Lärmtöter