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Publikationsdatum
7. März 2024
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Ich habe eben einen Artikel gelesen, bei dem es um die nichtmessbaren Dinge bei Audiokomponenten geht, was mich veranlasst hat, diesen Artikel zu schreiben.

In der Tat, wie lassen sich Klangbühne und Abbildung messen oder überhaupt der Gänsehautfaktor? Ich muss dem Autor recht geben, diese Dinge lassen sich nicht messen, zumindest nicht direkt. Und das wäre eigentlich noch schön, wenn man sich als Entwickler gemütlich zurücklehnen und sagen könnte, das können wir nicht messen. Doch dann wären wir wohl nicht da, wo wir heute wären mit den ganzen Audioprodukten, welche die Musik so wunderbar in die heimischen vier Wände bringen. Für mich ist gerade das so wichtig, herauszufinden, wie wir das messtechnisch erfassen können, was wir hören. Und vieles können wir indirekt messen. Gehen Sie mit mir einig?

Wie vorgehen?

Eine gute Möglichkeit, die sich dem Entwickler anbietet, ist, von Anfang an darauf zu achten, dass Fehler möglichst vermieden werden. Das heisst, nicht etwas möglichst gut zu machen, sondern darauf bedacht zu sein, dass Abweichungen von Anfang an aussen vor bleiben. Das ist eine andere Herangehensweise und ermöglicht indirekt eine authentische Klangwiedergabe. Die Aufgabe besteht darin, als erstes mögliche Fehler zu identifizieren, danach diese zu bewerten und zum Schluss zu überlegen, wie diese eliminiert oder zumindest so weit verringert werden, dass sie unhörbar bleiben.

Damit wären wir beim Thema Hören angelangt. Dies ist ein beliebtes Diskussionsthema in unsrer Branche. Es reicht von Leuten, die bei einem DAC noch 10° Phasenabweichung bei 20 kHz hören wollen, bis hin zu anderen, die behaupten, dass das menschliche Gehör Musiksignale nur frequenzbasiert umsetzt.

Wer sich schon einmal etwas tiefer mit der menschlichen Wahrnehmung von Tönen befasst hat, weiss: Beides ist falsch. Und er weiss auch, dass es schwierig ist, genaue Aussagen zu machen, da viele Effekte einander überlagern und sich gegenseitig beeinflussen. Und noch ehrlicher gesagt: Eigentlich ist es ein Graus, wenn man sich vor Augen hält, dass alles nichtlinear ist, abhängig von Frequenz, Pegel und Zeit – und die Wahrnehmung sogar noch von der eigenen Tagesform abhängig ist. Daher ist es wichtig, zuverlässige Messungen machen zu können und diese richtig interpretieren zu können.

Was hören wir?

Es gibt einige Erkenntnisse aus der akustischen Wahrnehmung, die sich in die Entwicklung von Audioprodukten gut einbringen lassen. So unterschiedlich eine Violine in verschiedenen Konzertsälen auch tönen mag: Jeder wird dieses Instrument als Violine wahrnehmen, vorausgesetzt, er kennt das Instrument. Egal, ob in der Tonhalle Zürich oder in der Hamburger Elbphilharmonie, die Violine ist klar als solche wahrnehmbar.

Der Grund ist einfach, die erste Schallwellenfront ist nahezu immer dieselbe, zumindest wenn man den direkten Sichtkontakt zur Musikerin hat. Man spricht von Direktschall. Einige Millisekunden später kommt die erste Reflexion dazu und später weitere; und diese sind abhängig von der Beschaffenheit des Raumes. Der Direktschall ist sehr wichtig, um festzustellen, welches Instrument gespielt wird. Die erste Wellenfront beinhaltet auch den instrumentenspezifischen Anfangsimpuls, welchen man auch als Einschwingverhalten bezeichnet. Untersuchungen haben gezeigt, dass selbst Musiker Mühe haben, ein Instrument zu erkennen, wenn der Anfangsimpuls ausgeblendet wird.

Indirekt

Aus meiner Sicht können wir hier sehr viel festmachen. Der Anfangsimpuls muss möglichst genau reproduziert werden im Bereich des theoretisch wahrnehmbaren Frequenzspektrums des Menschen (16 Hz bis 20’000 Hz). Das bedeutet, dass unser Musikwiedergabesystem zeitlich betrachtet dem Signal unmittelbar und ohne zeitliche Verschiebungen innerhalb des Impulses folgen sollte.

Die Gesamtverzögerung, solange sie über alle Frequenzen gleich ist, spielt keine Rolle, sie verändert das Signal nicht. Die Musik beginnt einfach früher oder entsprechend etwas später. Bei Verstärkern und DACs ist hier wohl langsam die Grenze des Machbaren erreicht, bei Lautsprechern hingegen gibt es hier doch bei den meisten noch einiges Potenzial. Mit einer gemessenen Schrittantwort eines kompletten Musiksystems lässt sich relativ gut beurteilen, ob der Weg hin zum Gänsehautfeeling noch weit ist oder nicht. Ein Teil der gewünschten holografischen Raumwiedergabe ist ebenfalls das Ergebnis einer genauen Impulsreproduktion.

Ein weiterer Aspekt ist das Abstrahlverhalten, das entscheidend ist für die eingangs erwähnte genaue Abbildung oder das Bühnenbild. Zwar gibt es keine direkte Messmethode für diese zwei Kriterien, doch Messungen unter verschiedenen Winkeln können sehr schnell Schwächen in diesem Bereich offenlegen. Kein Lautsprecher wird eine konsistente Abbildungsgenauigkeit an den Tag legen, wenn hier grössere Abweichungen gemessen werden.

Viele Wege ...

Das Schöne am Entwickeln dieser freudespendenden Produkte ist, dass es nicht nur einen richtigen Weg gibt. Doch je mehr wir messen können, desto besser werden die Produkte. Aber hören und fühlen sind zwei Aspekte, die sich nicht durch messen ersetzen lassen. Die Ergänzung von beiden ist entscheidend, damit Audioprodukte noch besser werden. Und wenn sich die Gänsehaut spontan einstellt, dann haben wir den Job gut gemacht.